Kommentar Menschenrechte in China - Bitterer Beigeschmack

US-Außenministerin Hillary Clinton stand vor einer sehr schwierigen Mission. Ausgerechnet kurz vor den so wichtigen Strategiegesprächen der beiden Großmächte in Peking klopften chinesische Dissidenten an der Tür der US-Botschaft in der Hauptstadt. Sie baten um die Aufnahme des Bürgerrechtlers Chen Guangcheng, eine der Schlüsselfiguren der chinesischen Bürgerrechtsbewegung.

Was normalerweise die ohnehin schon schwierigen Beziehungen der beiden Mächte noch mehr zerrüttet hätte, hat Clinton nun mit großem Geschick aufgefangen. Auch wenn dem blinden Bürgerrechtler nach eigenen Angaben mit der Tötung seiner Frau gedroht wurde, falls er die amerikanische Botschaft nicht verlässt.

Es bleibt zwar ein bitterer Beigeschmack, aber immerhin haben die USA der chinesischen Seite abringen können, dass dem Bürgerrechtler künftig kein Leid mehr zugefügt wird. Nachdem der 40-Jährige nach bereits vierjähriger Haft zusätzlich unter Hausarrest gestellt wurde und dort die vergangenen 20 Monate der Willkür seiner Bewacher ausgesetzt war, soll dem blinden Aktivisten und seiner Familie künftig Schutz vor seinen Peinigern garantiert werden. Zudem hat die Zentralregierung in Peking versprochen, Chen den Besuch einer Universität zu ermöglichen.

Hält sie dieses Versprechen nicht, macht sie sich auch in ihren eigenen Reihen unglaubwürdig. Das wäre ein Gesichtsverlust auf allen Ebenen. Und das kann sich auch ein Regime in China nicht mehr leisten. Zugleich werden die USA wohl der Forderung nachkommen, sich bei der chinesischen Regierung für den Vorgang zu entschuldigen. Dafür, dass die Amerikaner bereit sind diese Kröte schlucken, auch dafür gebührt ihnen Anerkennung.

Chen selbst hat immer betont, dass er die Volksrepublik nicht verlassen möchte. Es gehe ihm einzig und allein darum, auf die Willkür seiner Schinder aufmerksam zu machen und dass er auch nach chinesischem Recht illegal in seinem Haus festgehalten wurde. Auch wenn sich Chen auf die Erpressung der chinesischen Führung einlassen musste - die Vermittlung dieser Botschaften ist ihm gelungen.

Zugute kommt Hillary Clinton, dass wenige Monate vor dem Führungswechsel innerhalb der chinesischen Zentralregierung der scheidende Premierminister Wen Jiabao sich offensichtlich von seiner weniger harten Seite zeigen will. Das hat er auch dringend nötig. Was die Menschenrechte in China betrifft, hat sich die Lage entgegen anderslautender Versprechen zuletzt wieder deutlich verschlechtert.

So sehr die amerikanische Außenministerin und ihr Stab diese Situation erfolgreich einzuschätzen wusste - mit einem generellen Richtungswechsel Pekings sollte sie nicht rechnen. Dafür bleibt die Volksrepublik zu sehr Diktatur.

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