Kommentar Merkels DDR-Vergangenheit - Die rote Angela

Muss einem bei der Pfarrerstochter Angela Merkel ein Bibelwort einfallen? Muss nicht, aber kann. Zum Beispiel dieses: "Wer ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein." Was Springer-Journalisten in einem Buch, das diese Woche erscheint, über die DDR-Vergangenheit der heutigen Bundeskanzlerin recherchiert haben wollen, gibt jedenfalls keinen Anlass, über Merkel den Stab zu brechen.

Dass sie in einem "roten" Pfarrhaus groß worden - geschenkt. Dass sie Mitglied der FDJ war - da macht sie selbst seit Jahrzehnten kein Geheimnis draus. Die FDJ, so sagt sie, sei Teil ihres Lebens: "Das ist bekannt, da habe ich nichts zu verbergen." Und jetzt soll sie also schon Mitglied der DDR-Reformpartei "Demokratischer Aufbruch" gewesen sein, noch bevor der von der Einheit träumte, als er also an die Reformierbarkeit des Systems glaubte.

Erstens kann das jeder wissen, der sich mit der Aufbruchzeit vor 20 Jahren beschäftigt, und was ist daran - zweitens - bitte verwerflich? Wie viele Westpolitiker haben in jenen Jahren von einer Zwei-Staaten-Lösung geträumt, weil ihnen der große Traum zu gewagt schien?

Nein, Merkels "neue" DDR-Vergangenheit taugt nicht zum Skandal. Und damit auch nicht zum Wahlkampfthema. Die "Enthüllungen" belegen nur, dass jeder irrt, der an dieses Thema mit einem "Entweder/Oder", mit "Schwarz/Weiß" herangeht. Angela Merkel hat nie behauptet, eine Bürgerrechtlerin oder gar Widerstandskämpferin gewesen zu sein. Sie hat sich mit dem System so arrangiert wie Millionen andere auch. Das ist gewiss nicht heldenhaft, aber zutiefst menschlich.

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