Kommentar Ministerpräsidentinnen-Wahl in NRW - Kaum Spielraum

Zu Beginn der neuen Legislaturperiode bietet die nordrhein-westfälische Landespolitik ein Bild mit vielen verschiedenen Facetten. Da ist die neue Machtfülle von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft, eine Opposition, die zu ihrem größten Teil noch mehr mit sich selbst beschäftigt ist (CDU), die den parlamentarischen Alltag erst noch kennenlernen muss (Piraten), aber die auch schon voll durchzustarten scheint (FDP), und da sind die riesengroßen Probleme des Landes, die den Regierenden so wenig Gestaltungsspielraum bieten wie noch nie.

Dass Kraft bei ihrer Wahl am Mittwoch im Landtag neun Stimmen mehr erhalten als die rot-grüne Koalition Abgeordnete hat, ist ein tolles Ergebnis für sie persönlich. Politisch sollte es aber nicht überbewertet werden, zeigt es doch, dass die Piraten ihre Oppositionsrolle anders verstehen als etwa CDU und FDP. Und dennoch: Die Wiederwahl als Ministerpräsidentin ist der vorläufige Höhepunkt von Krafts politischer Karriere.

Vor sieben Jahren hat sie den Vorsitz der am Boden liegenden Landes-SPD übernommen, diese an vorderster Stelle programmatisch erneuert und den Genossen wieder das Selbstbewusstsein früherer Jahrzehnte eingepflanzt. Als Chefin der Minderheitsregierung gewann Kraft das Vertrauen vieler Bürger vor allem, weil sie authentisch wirkte.

Ob als besorgte Landesmutter wie bei der Loveparade-Trauerfeier oder auch als Politikerin, die - Beispiel Studiengebühren oder Kindergarten-Beiträge - das umsetzte, was sie vor der Wahl versprochen hatte. Diese Authentizität war auch ihr größter Trumpf im Wahlkampf, in dem sie im Gegensatz zu ihrem Herausforderer keinen Fehler machte und in dem sie ganz nebenbei zur beliebtesten deutschen Politikerin wurde.

Doch gleichgültig, wie sympathisch Kraft bei den Bürgern rüber kommt. Die Aufgaben, die ihr und ihrer Koalition in den nächsten fünf Jahren bevor stehen, werden nicht mit einer halbherzigen Sparpolitik, wie sie jetzt im Koalitionsvertrag zum Ausdruck kommt, zu schaffen sein.

Gerade mal eine Milliarde Euro will Rot-Grün bis 2017 in der Struktur des Haushalts einsparen. Dabei müssten es, wie renommierte Finanzwissenschaftler ausgerechnet haben, vier bis fünf Milliarden sein, um den Weg einzuschlagen, bis 2020 einen Haushalt ohne neue Schulden vorzulegen.

Denn der Finanzbedarf des Landes wächst ja eher als dass er sinkt. Da sind die Milliarden im Zusammenhang mit der gescheiterten WestLB oder die stetig ansteigenden Pensionszahlungen für die ehemaligen Landesbeamten. Da sind die womöglich Hunderte von Millionen zur Sanierung von Straßen und Schienen oder auch die Gelder, die bereit gestellt werden müssen, damit behinderte Kinder und Jugendliche in den Regelschulen unterrichtet werden können.

Dass in den nächsten Jahren möglicherweise das Zinsniveau steigt und die Steuereinnahmen sinken, sind weitere Unbekannte in der Rechnung. Vor allem auf das Prinzip Hoffnung zu setzen, sprich: auf die Erhöhung der Steuern nach einem etwaigen Sieg von Rot-Grün bei der Bundestagswahl, das ist zu wenig.

Am Donnerstag wird Kraft ihre neue Regierungsmannschaft vorstellen. Um ihre Aufgaben sind sie und ihre Minister nicht zu beneiden.

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