Fiskalpakt-Kompromiss Mit der Brieftasche

Berlin · Das ist eben ein Markenzeichen der deutschen Demokratie: Dass sich Politiker aller Parteien in Grundsatzfragen gemeinsam auf eine letztlich vielversprechende Kompromiss-Suche begeben. Alle Parteien haben zurückgesteckt: CDU, CSU und FDP haben dem Druck der Opposition bei der Besteuerung von Finanz-Transaktionen nicht länger standhalten können.

Eine besondere Wendigkeit zeigte hier vor allem die FDP, die bisher eine solche Abgabe mit scharfen Worten ablehnte. Die Liberalen schwenkten auf den überparteilichen Kompromiss-Kurs ein, um der Kanzlerin innenpolitisch den Rücken frei zu halten.

Für die Opposition war die Kompromiss-Suche ein Geschenk: Dreimal binnen drei Wochen zu Gast bei der Bundeskanzlerin zu inhaltlichen Gesprächen samt politischen Zugeständnissen. Das ist ein Pfund, mit dem SPD und Grüne wuchern können. Zumal absehbar ist, dass Merkel auf allen Politikfeldern, die die Entscheidungsgewalt des Bundesrates betreffen, wegen der dortigen rot-grünen Dominanz Schwierigkeiten haben wird. Die Botschaft solcher Bilder: Die Opposition ist wieder im Rennen.

Trotz der Vorentscheidung des Allparteien-Treffens liegt vor dem politischen Berlin aber noch ein Problemberg. Da ist die bislang einhellig ablehnende Haltung aller Bundesländer, die die finanziellen Konsequenzen fürchten. Sieben Tage vor dem geplanten Inkrafttreten muss Merkel nicht nur ihre Parteifreunde davon überzeugen, dass der Fiskalpakt mit seinen strengen Haushaltsregeln für die 16 Bundesländer keine dramatischen Auswirkungen haben muss - eine Aufgabe, die ein hohes Maß an Durchsetzungsvermögen und Sensibilität erfordert. Wahrscheinlich wird Angela Merkel (und mit ihr Finanzminister Schäuble) die Brieftasche zücken müssen, um die Zwei-Drittel-Mehrheit auch im Bundesrat zu erhalten.

Die Debatte der nächsten Tage und Wochen wird vor allem verfassungsrechtlich geführt werden. Die Frage lautet: Ist ein so schroffer Eingriff in die nationale Finanzhoheit überhaupt grundgesetzkonform? Das Bundesverfassungsgericht, das Donnerstag in bisher nicht gekannter Offenheit mehr Zeit für die Beratung der absehbaren Klagen einforderte, gilt nicht als europapolitischer Freund der Bundesregierung. Und diese kann nicht riskieren, Karlsruhe öffentlich unter Druck zu setzen. Ob Gaucks Schritt, die Unterschrift, die dem Projekt Gesetzesgültigkeit verleiht, erst einmal zu verschieben, zur Beruhigung beiträgt? In jedem Fall dokumentiert das Staatsoberhaupt einen sehr selbstbewussten Umgang mit seinen Amtspflichten. Die Lektion für die Kanzlerin lautet, dass ihre Macht an den Pforten des Schlosses Bellevue endet. Gauck taugt nicht zum Unterschriften-Automaten. Seine Absage dokumentiert Konfliktbereitschaft.

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