Kommentar Nach dem Duell - An der Kante

Angela Merkel ist zufrieden. Und Peer Steinbrück ist zufrieden. Weil beide Seiten so zufrieden sind, gibt es nach dem einzigen Fernsehduell des Spitzenpersonals der Volksparteien von Union und SPD eine interessante Deutung.

Beide haben ihr Ziel erreicht. Die Bundeskanzlerin wollte ihren Vorsprung vor dem SPD-Herausforderer über die 90 Minuten bringen. Und Steinbrück wollte nach diesem Duell auf Augenhöhe eine Situation geschaffen haben, wonach das Rennen um die Macht in Deutschland noch als irgendwie offen bezeichnet werden kann, jedenfalls in der Addition der jeweiligen Lager.

Ein Duell, an dessen Ende beide Duellanten aufrecht die Arena eines Fernsehstudios verlassen, ist eine passable Voraussetzung für einen Schlussspurt in einem bislang doch eher langweiligen Wahlkampf.

Merkel weiß: Sie hat diese Wahl trotz des Vorsprungs für ihre Person und ihre Partei noch lange nicht gewonnen. An der 45/46-Prozent-Kante für eines der Lager wird diese Auseinandersetzung wohl entschieden. Und auch wenn Merkel am 22. September mit Vorsprung vor Steinbrück über die Ziellinie geht, muss dies noch lange nicht den Sieg für Schwarz-Gelb vor Rot-Rot-Grün bedeuten.

Ein Unentschieden der politischen Lager, für das dieses Fernsehduell eine Art Vorgeschmack geboten hat, ist allemal möglich. Und dann, liebe Volksparteien, wäre der Einigungswillen der beiden "Großen" gefragt. Merkel hat ein Ziel: Sie will weiter regieren. Mit wem, dies ist für die CDU-Chefin bei aller erklärten Präferenz für den derzeitigen Koalitionspartner FDP sekundär.

Merkel will ihre dritte Amtszeit. Die SPD hat sie in den Jahren 2005 bis 2009 schon einmal klein bekommen: auf historische 23 Prozent. Dann schrumpfte Merkel mit unfreiwilliger Unterstützung der Liberalen selbst auch die FDP. Und jetzt? Schwarz-Grün wird es im Bund nicht geben, weil eine solche Koalition keinerlei Gestaltungsmehrheit im Bundesrat hätte und der Grünen-Parteitag noch ausgerufen werden müsste, der einen solchen Koalitionsvertrag absegnete.

Steinbrück steht für eine große Koalition wie auch für Rot-Rot-Grün nicht bereit. Na und?, wird sich Sigmar Gabriel sagen. Nichts, was der SPD-Chef nicht ausloten würde, und sei es nur, den eigenen Preis (abhängig vom Ergebnis der SPD) für die Partei und sich nach oben zu treiben. Vieles geht, alles ist offen.

Merkel weiß, dass ihr am Ende womöglich 1,5 Prozentpunkte, die vielleicht irgendwo bei der Alternative für Deutschland, den Piraten und einer knapsenden FDP hängengeblieben sind, für die Fortsetzung von Schwarz-Gelb fehlen können. Man kann ein Spiel, das vermeintlich gewonnen ist, immer noch verlieren. Der SPD wird der Sieg nicht mehr zugetraut. Die wahre Gefahr für Merkel ist, dass sie ihre Anhänger nicht ausreichend mobilisieren kann.

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