Kommentar Nach der ersten Sondierungsrunde - Die Stabilitätsfrage

Am Ende von Sondierungsgesprächen wird Angela Merkel die Stabilitätsfrage stellen. Es ist mit die wichtigste Frage für eine Bundeskanzlerin.

Mit welchem der beiden möglichen Koalitionspartner bringt sie das Land, eine von ihr geführte Koalition, aber auch die eigenen Truppen stabil über die Zeit bis zur nächsten Bundestagswahl? Mit Schwarz-Rot, was viele erwarten, oder doch mit Schwarz-Grün, was sich eine nicht unbedeutende Minderheit als neue Variante vorstellen kann?

Merkel wird den sicheren Weg gehen: Schwarz-Rot. Rein numerisch hätte sie auch mit den Grünen eine Mehrheit im Bundestag. Aber im Bundesrat, durch den alle zustimmungspflichtigen Gesetze müssen, die Länderkompetenzen berühren, ist Schwarz-Grün ohne jedes Handlungsinstrument. Das kann Merkel nicht wollen, auch wenn die gebeutelten Grünen der vermeintlich leichtere Koalitionspartner wären. Sie wären aber auch der unberechenbarere.

Am Freitag haben CDU, CSU und SPD erstmals nach der Trennung ihrer letzten politischen Ehe durch den Wähler 2009 wieder etwas miteinander gesucht: Gemeinsamkeiten, die groß genug für ein schwarz-rotes Regierungsbündnis sein müssen. In der kommenden Woche sondieren CDU und CSU mit den Grünen.

Danach wird es noch eine zweite Sondierungsrunde mit der SPD geben, ehe Merkel, CSU-Chef Horst Seehofer und SPD-Chef Sigmar Gabriel nach grünem Licht durch den eigenen Parteikonvent in Koalitionsverhandlungen eintreten. Auf zur nächsten großen Koalition, die vor allem dann eine wäre, wenn sie auch die großen Probleme des Landes und des europäischen Kontinents lösen oder lindern könnte.

Die große Koalition wäre auch dann groß, wenn sie Minderheitsrechte der kleinen Opposition von Linken und Grünen stärken würde - im Namen der Demokratie. Denn Linke und Grüne bringen nun einmal nicht das erforderliche Quorum von 25 Prozent zusammen, um beispielsweise einen Untersuchungsausschuss einberufen zu können. Es wäre eine Geste der "Großen".

CDU, CSU und SPD werden sich noch einige Tage zieren, bevor sie richtig miteinander pokern. Doch am Ende wird ein Vertrag stehen, der vor allem Fragen der sozialen Gerechtigkeit stark betonen wird. Die Unionsparteien werden hier, auch um der SPD und deren Parteigliederungen die Zustimmung zu ermöglichen, mehr geben müssen als vielen in CDU und vor allem CSU lieb ist. Aber es gibt für alles einen Preis.

Und der einer großen Koalition mit einer erkennbar angeschlagenen und verunsicherten SPD wird teuer, aber nicht absurd hoch. Merkel will ihre dritte Amtszeit als Bundeskanzlerin. Sie will ihre Regierungspolitik so fortsetzen, wie es die Mehrheit der Wählerinnen und Wähler von ihr erwartet: berechenbar, verlässlich, stabil. Mit einer SPD, die gleichfalls das große Ganze im Blick hat, als stellte sie den Kanzler.

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