Kommentar Nach der Landtagswahl an der Saar - Wunschdenken

Die Wahl an der Saar bietet mehr Anschauungsmaterial für künftige Politik im Bund, in NRW und anderswo, als man dem kleinen Bundesland zugetraut hätte.

Rezept Nummer eins: Das persönliche Beispiel zieht und wird honoriert. Wie Annegret Kramp-Karrenbauer im Januar die Reißleine zog, die FDP damit aus der Regierung beförderte und selbst volles Risiko ging, das hat imponiert. In Nordrhein-Westfalen kann man sich davon durchaus etwas abgucken, allen voran natürlich Norbert Röttgen.

Der Mann, der NRW führen will, hat jetzt praktisch keine Wahl mehr: Er muss sich voll und ganz zu seinem Engagement am Rhein bekennen. Die jüngsten Umfragen sind dazu neben dem Wahlergebnis aus Saarbrücken Munition genug: Wer als eine der Nachwuchshoffnungen deutscher Politik gilt (und sich selbst auch so sieht), kann nicht mit ansehen, wie der Umfragewert für seine Partei um zwei Punkte sinkt, statt zu steigen. Röttgen braucht keine Berater um zu wissen: Daran ist er selbst schuld, niemand sonst.

Geht der Wahlkampf so weiter, hat er vor allem das Thema Röttgen, nicht die Finanzkrise, nicht die Versorgungskrise (in der Kita etwa), kein Sachthema. Das kann die CDU nicht wollen. Volle Kraft voraus muss heißen: volles Risiko. Wer nicht an den Sieg glaubt, braucht gar nicht erst anzutreten.

Christian Lindner hat für die FDP gezeigt, dass er dazu bereit ist. Was für ihn, zugegeben, leichter ist als für Röttgen. Denn tiefer als an der Saar in der Wahl und in NRW in Umfragen kann man nicht fallen. Dass der Name Lindner das Umfragepotenzial für seine Partei binnen kürzester Frist verdoppelt hat, ist Beleg für diese positive Personalisierungsthese.

Aber das reicht natürlich nicht aus. Lehre Nummer zwei aus Saarbrücken: Das christlich-liberale Lager hat ausgedient. Eine Situation, in der es Union und FDP in NRW und im Bund gelingen könnte, wieder oder weiter gemeinsam die Regierung zu stellen, ist Wunschdenken. Da hilft auch alle taktische Abgrenzerei in Berlin nichts, genauso wenig übrigens das Gegenteil: das Ausrufen einer neuen "Ich hab Dich doch lieb"-Phase in der Koalition.

Der Trend in NRW und in Schleswig-Holstein spricht für Rot-Grün. Alles andere wäre eine Überraschung. Käme sie hier oder da zustande, lautet die zweite Option aber wie an der Saar: große Koalition - auch wenn die SPD sich schmerzhaft daran erinnern wird, dass ihr das in der Regel nicht gut bekommt. Das heißt: Selbst wenn es die FDP schafft, wird ihr das nicht viel nützen.

Und eine FDP auf den Oppositionsbänken wird schnell kaum noch wahrgenommen. Bezeichnend, dass die Partei, die dafür sorgt, dass dies alles so ist, Piratenpartei heißt. Sie wird - Lehre Nummer drei - als die wirklich neue Partei im Spektrum deutscher Politik noch weitere Beute machen.

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