Kommentar Nach der Wahl des neuen Papstes - Neue Dreifaltigkeit

Mit Papst Franziskus lernt die katholische Kirche eine neue Dreifaltigkeit kennen. Der Papst stammt aus Lateinamerika, er ist der erste Jesuit auf dem Stuhl Petri. Drittens ist auch der Name, den Jorge Mario Bergoglio gewählt hat, Programm.

Franziskus steht in Anlehnung an den heiligen Franz von Assisi für eine besondere Sensibilität für soziale Benachteiligung. Diese Faktoren werden sich im Leben der katholischen Kirche widerspiegeln. Die Kirche wird nach Franziskus nicht mehr dieselbe sein.

Die Ausgangsposition ist das theologische Fundament, das Benedikt XVI. gesetzt hat. Sein Kampf gegen den Relativismus wird fortan eine untergeordnete Rolle spielen. Das Zentrum der Kirche bleiben zwar Rom und seine europäisch geprägte Kultur. Das in erster Linie europäische Problem der Auseinandersetzung mit den Folgen der Aufklärung rückt mit dem Papst aus Argentinien jedoch in den Hintergrund. Die Weltkirche wird nun vom ersten Papst aus Lateinamerika geführt. Das bedeutet, dass fortan nicht mehr eine etwa von Benedikt verkörperte Geisteselite im Katholizismus das Sagen hat. Der Blick geht nach Süden und damit in Richtung der Probleme der südlichen Welthalbkugel.

40 Prozent der Katholiken leben in Lateinamerika. Mehr als 500 Jahre nach der ersten Evangelisierung des Kontinents, hat die Kirche erstmals ein Oberhaupt, das diese Region repräsentiert. Die bescheidenen Gesten Bergoglios machen ihn vor allem den Römern sympathisch. Doch die Aufmerksamkeit, die der argentinische Papst in Lateinamerika schon jetzt auf sich zieht, ist enorm. Bestätigt Franziskus die in seine Person gelegten Erwartungen, könnte die Kirche die Sogwirkung etwa der einflussreichen Pfingstkirchen in Südamerika eindämmen und in dieser für sie so bedeutenden Region Auftrieb bekommen.

Auch die europäischen Christen sind nun zu einem Umdenken gezwungen, das heilsam sein könnte. Nicht mehr allein Europa ist der christliche Nabel der Welt, die Bedürfnisse der Menschen auf der Südhalbkugel werden mehr Gehör finden und auch stärker in das Bewusstsein der westlichen Welt dringen. Die Folge könnte eine geistige Globalisierung sein mit dem Effekt, dass auch in hiesigen Breitengraden eine weitreichende Debatte über soziale Gerechtigkeit angestoßen wird. Die wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen in Europa laden dazu ein.

Dass die Kirche mit Franziskus an der Spitze damit nach links rückt, ist ein Trugschluss. In zentralen dogmatischen Fragen teilt Bergoglio die katholische Doktrin. Viele Gläubige vor allem in Deutschland erwarten Veränderungen, die vom neuen Papst kaum erfüllt werden dürften. Das gilt etwa für die Rolle der Frau im kirchlichen Leben, die Debatten um Abtreibung und Homoehe. Wer hier Änderungen wünscht, der wird sich auch an Franziskus reiben.

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