Kommentar Neue Außenpolitik Steinmeiers - Ambitioniert

Große Klappe, nichts dahinter. Zugegeben: Diese Formulierung mag etwas salopp daherkommen, aber sie trifft im Kern das Bild, das viele Partner Deutschlands von der Außen- und Sicherheitspolitik der Bundesrepublik haben.

Da hat sich in den vergangenen Jahren der Eindruck verfestigt, dass Berlin in Krisenfällen mit forschen Reden schnell dabei ist, aber in kleinlaute Bescheidenheit verfällt, wenn Antwort auf die Frage verlangt wird, welchen Beitrag Deutschland leisten will. Jüngstes Beispiel: Mali.

Da beteiligt sich Deutschland an der UN-Stabilisierungsmission, hat aber nur acht Soldaten im Einsatz, obwohl das Mandat 150 erlaubt. Und bei der EU-Ausbildungsmission im selben Land übernimmt die Bundesrepublik im August zwar die Führung und erhöht deshalb die Mandatsobergrenze von 250 auf 350 Mann, hat aber derzeit gerade Mal 150 Soldaten im Einsatz.

Außenminister Frank-Walter Steinmeier will nun für Klarheit sorgen, will die Außenpolitik verlässlicher, berechenbarer, transparenter machen. Das ist ambitioniert, und sollte es ihm gelingen, es wäre ein großer Fortschritt. Denn die Zeiten haben sich geändert. Natürlich hatte die außenpolitische Zurückhaltung der Bundesrepublik lange ihren Sinn.

Während des Kalten Krieges ging es um die politische Solidarität mit den Bündnispartnern, vor allem den USA, nicht um die Frage eines möglichen militärischen Engagements. Inzwischen sieht die Welt anders aus. Die mit dem Ende des Ost-West-Konfliktes erhoffte Friedensdividende ist ausgeblieben, stattdessen laviert die Welt durch ein Stakkato immer neuer Krisen.

Ukraine, Nahost, Syrien, islamistischer Terror, Ebola - die Herausforderungen sind groß und die Erwartungen an Deutschland noch größer. Kann sich der wirtschaftspolitische Riese weiterhin als sicherheitspolitischer Zwerg gerieren? Steinmeier setzt nur um, was Bundespräsident Joachim Gauck als Marschrichtung vorgegeben hat: Deutschland muss mehr außenpolitische Verantwortung wagen. Und er zieht dabei die Konsequenzen aus einer von ihm in Auftrag gegebenen Studie, die der deutschen Außenpolitik bescheinigt, sie reagiere nur zögerlich auf Krisen, das strategische Denken sei schwach ausgeprägt.

Dass er das Auswärtige Amt umbaut und eine Abteilung für Krisenprävention und -bewältigung schafft, ist da nur konsequent. Wichtiger ist aber, wie sich das neue außenpolitische Denken in der Realität niederschlägt.

Es wird eine Gratwanderung: Einerseits verbieten sich militärische Abenteuer von selbst, schon weil das Grundgesetz dem Bundeswehreinsatz enge Grenzen zieht, andererseits gibt es gute Gründe, militärische Optionen nicht auszuschließen, etwa wenn es um die Verhinderung von Völkermord geht. Sicher ist: Die alte Scheckbuchdiplomatie (Deutschland zahlt, an die Front gehen andere) wird in Zukunft immer weniger auf Verständnis stoßen.

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