Kommentar Nicht krisenfest

Streichen Sie sich den 17. Oktober rot im Kalender an! Wieso? Weil an diesem Tag die Börsen weltweit crashen werden. Das jedenfalls behauptet der umstrittene US-Börsenanalyst Martin Armstrong, der es auch hierzulande zu einiger Popularität gebracht hat.

Nun sind solche Prognosen zwar Kokolores, und wer nachforscht, kann feststellen, dass Armstrong in US-Gefängnissen bekannter ist als an der Wall Street. Doch Auguren wie er finden Zuhörer, denn die Nervosität an den Aktienmärkten ist hoch.

Und das ist kein Wunder. Im Gebälk der Weltwirtschaft knirscht es gewaltig. Drei der vier großen aufstrebenden und das Weltwirtschaftswachstum treibenden Volkswirtschaften, der sogenannten BRIC-Staaten - Brasilien, Russland, Indien und China - sind schwer angeschlagen.

Brasiliens Kreditwürdigkeit wurde in dieser Woche von der US-Ratingagentur Moody's fast auf Ramschniveau heruntergestuft. Russland liegt wegen des Energiepreisverfalls und der Sanktionen der EU wirtschaftlich am Boden. Aus Indien kommen kaum Impulse. Vor allem aber: Der chinesische Drache sitzt beim Tierarzt.

Peking hatte in den vergangenen Wochen alle Hände voll zu tun, einen sich abzeichnenden Börsencrash in den Griff zu bekommen. Die Konjunktur im Land der Mitte läuft mau, die Zentralbank wertete den Yuan gleich dreimal ab. Das sind düstere Perspektiven für die exportorientierte deutsche Industrie.

Denn die wichtigsten Branchen hierzulande hängen am Tropf des chinesischen Marktes: Auto, Chemie, Maschinenbau, Konsumgüter. Doch statt dass jetzt im politischen Berlin die Alarmglocken schrillen, suhlt man sich noch immer in den wirtschaftlichen Erfolgen: Hohe Gewinne bei vielen Dax-Konzernen und im Mittelstand, Rekordbeschäftigung, relativ niedrige Arbeitslosigkeit. Die Bilanzen bilden aber nicht die Zukunft, sondern die Vergangenheit ab.

Sollte tatsächlich eine Weltwirtschaftskrise kommen, ist Deutschland schlecht darauf vorbereitet. Reformen für mehr Beweglichkeit hat es kaum gegeben, dafür teure staatliche Eingriffe etwa in der Energiebranche, beim Mindestlohn, bei der Rente mit 63 und in anderen Bereichen. Die Infrastruktur - sträflich vernachlässigt.

Hunderte Milliarden für Griechenland, die früher oder später abgeschrieben werden müssen. Ein Strom von Zuwanderern, der täglich größer wird und vom bestehenden System nicht richtig aufgefangen werden kann. Überbordende Sozialausgaben, die etwa bei den Kommunen in den vergangenen zehn Jahren um sage und schreibe 60 Prozent gestiegen sind. Und, und, und.

Deutschland feiert sich als Exportland - umso stärker wird es deshalb krachen, wenn große Auslandsmärkte wie China schwächeln. Die Verwandlung vom starken zurück zum kranken Mann Europas - das kann ganz schnell gehen. Dafür muss man kein Hellseher sein.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Sehr viele Stühle: Der Bundestag soll
Nicht ohne Nachteil
Kommentar zur WahlrechtsreformNicht ohne Nachteil
Viel Potenzial bei Ungelernten
Kommentar zur Arbeitslosenquote Viel Potenzial bei Ungelernten
Wieder ein Endspiel?
Kommentar zur krieselnden Ampel-Koalition Wieder ein Endspiel?
Eine andere Welt
Kommentar zu den weltweiten Militärausgaben Eine andere Welt
Aus dem Ressort