Kommentar zu Grenzen Nutzlose Schlagbäume
Meinung | Paris · Politiker betonen seit Ausbruch der Corona-Pandemie: Das Virus kennt keine Grenzen. Trotzdem haben viele Regierungen ihr Land einfach abgeschottet. Besonders drastisch zeigt sich das in der deutsch-französischen Grenzregion, findet unser Autor.
Das Virus kennt keine Grenzen, betonen Politiker seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie. Und dennoch haben viele Staaten im Kampf gegen die Ausbreitung der Krankheit ihr Land einfach abgeschottet. Das Errichten von Schlagbäumen ist bei einer Bedrohung von außen auf den ersten Blick ein verständlicher Schritt. Doch schnell wurde deutlich, dass viele der ergriffenen Maßnahmen an der Lebensrealität in den betroffenen Regionen vorbeigehen. Das Zusammenwachsen Europas ist bisweilen weiter fortgeschritten, als manche das sehen wollen.
Besonders drastisch zeigte sich das etwa in der deutsch-französischen Grenzregion. Weil sich das Gebiet um die Stadt Mülhausen im Süden des Elsass zu Beginn der Epidemie zu einem Corona-Hotspot entwickelte, wurden auch die Übergänge zum Saarland im rund 200 Kilometer entfernten Forbach im Norden Lothringens geschlossen. Unter anderem konnten Tausende Pendler von einem Tag auf den anderen nicht mehr wie gewohnt an ihre Arbeitsstätten gelangen. Plötzlich zeigte sich, wie eng die deutsche und die französische Seite miteinander verflochten sind und wie selbstverständlich der tägliche Austausch über die Grenze hinweg für alle Menschen geworden war.
Franzosen und Deutsche haben die Maßnahmen überraschend klaglos akzeptiert, aber mit dem Beginn der unterschiedlich schnellen Lockerungen der Ausgangssperren auf beiden Seiten stellt sich die Frage nach einem koordinierten Vorgehen immer dringlicher. Eine Lehre aus der Corona-Krise muss sein, dass es in Krisenfällen ausgeklügelter Strategien bedarf, die auf Wirtschafts- und Lebensräume zugeschnitten sind. Auf Grenzen, die vor Hunderten von Jahren gezogen wurden, kann keine Rücksicht genommen werden.
