Kommentar Offene Grenzen in Europa: Ein Fall für Schengen

Am Schlagbaum hört die Freundschaft auf. Europa, Kontinent der offenen Grenzen, dessen wunderbare Idee eines gemeinsamen, geeinten, freien, demokratischen Wirtschafts-, Währungs- und Lebensraumes Wohlstand und Frieden sichern soll (und auch sichert), will demnächst wieder seine nationalen Grenzen dicht machen.

Nicht auf Dauer, sondern auf eng begrenzte Zeit, und dies auch nur bei einem sehr konkreten Anlass beziehungsweise Verdacht, aber immerhin: Kontrolle ist Kontrolle.

Was ist da los? Warum muss das sein? Geht EU-Europa wieder einen Schritt zurück? Nationalstaaten sollen in eigener Entscheidung wieder an ihren Grenzen kontrollieren dürfen, wenn Gefahr im Verzug ist. Grundsätzlich erlaubt das Regime des Vertragswerkes von Schengen - benannt nach einem luxemburgischen Moseldorf - Ausnahmen von der Regel der Nicht-Kontrolle schon bislang.

Nur zur Erinnerung: Bei Großereignissen wie der Fußballweltmeisterschaft 2006 in Deutschland waren Grenzkontrollen zum Schutz vor Hooligans von der britischen Insel Teil des Sicherheitskonzeptes. Und auch bei Terrorgefahr darf, ja, muss zum Schutz der Bürger kontrolliert werden. Demnächst will auch Spanien wegen eines Treffens der Europäischen Zentralbank in Barcelona das Schengen-Abkommen für kurze Zeit aussetzen.

Der Grund aber, warum Deutschland und Frankreich die neuen Kontrollpläne gemeinsam vorantreiben, liegt im Südosten der Europäischen Union. Dort schafft es der Dauerproblemfall Griechenland nicht nur nicht, seine Staatsfinanzen zu kontrollieren. Die Griechen praktizieren auch ihre Kontrollen an der türkisch-griechischen Grenze, einer Außengrenze des Schengen-Raumes, wo penibel kontrolliert werden soll, äußerst nachlässig.

EU-Standard verfehlt - mit Konsequenzen für die nationalen Grenzen anderer Staaten im Binnenraum der EU. Denn haben geschleuste und geschleppte Armutsflüchtlinge oder Auftragskriminelle oder Terrorgefährder erst einmal die EU-Außengrenze überwunden, können sie sich innerhalb der Europäischen Union bewegen, ohne an anderen nationalen Grenzen weitere Kontrollen befürchten zu müssen.

Sicherheit zuerst oder Reisefreiheit zuerst? Beides geht. Und beides wird es in den 26 Schengen-Vertragsstaaten, davon 22 aus der EU, auch weiter geben. Die Reisefreiheit steht wie kein zweites Element für die Idee eines freien Europas.

Europa wird noch lange nicht zu einer Festung, wenn an nationalen Grenzen aus konkretem Grund zeitlich befristet kontrolliert wird. Wahr ist: Armut und Not provozieren Migrationsdruck. Europa verheißt vielen Menschen aus bettelarmen oder umkämpften Regionen der Welt Wohlstand und Sicherheit. Hier gibt es viel zu gewinnen und viel zu verteidigen. Auch Grenzen.

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