Kommentar Olympische Winterspiele - Putins Fehlinvestition

Olympia ohne Politik? Das ist eine Illusion. Egal, wie oft die hohen Herren des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) mit dem Deutschen Thomas Bach an der Spitze dieser Tage die Spiele als politfreie Zone deklariert haben - von der Realität ist das weiter entfernt als die Erde vom Mars.

Das wurde der Weltöffentlichkeit noch nie so deutlich vor Augen geführt wie an den 17 Tagen von Sotschi, die an diesem Wochenende zu Ende gehen. Olympia, das größte Sportereignis der Welt, lässt sich an jeden Ort verfrachten, ohne dass innerhalb der geschlossenen Gesellschaft des olympischen Zirkels nennenswerte Unterschiede festzustellen sind - abgesehen vom jeweiligen Maskottchen, das in Souvenirshops von Hotels, Medienzentren und Wettkampfstätten massenhaft feilgeboten wird.

Was aber vor den hermetisch abgeriegelten Toren außerhalb des Blickfeldes von Sportlern, Funktionären, VIPs und Politikern geschieht, ist im Gegensatz zu früher nicht mehr zu verbergen - auch wenn die Fernsehsender, die teuer in Übertragungsrechte investiert haben, vornehmlich die schöne Seite Olympias zeigen. Die Revolution der sozialen Medien, ohne die Umwälzungen wie beispielsweise in Ägypten undenkbar gewesen wären, legt den opportunistischen Umgang des hochkommerziell agierenden IOC mit kritischen Themen offen.

Es mag noch Sinn machen, politische Meinungsäußerungen im Wettkampfumfeld zu untersagen. Aber Trauerbekundungen angesichts der blutigen Auseinandersetzungen in der Ukraine zu verbieten? Stattdessen hätte das IOC mit einer Stellungnahme für den ansonsten stets wohlfeil propagierten Olympischen Frieden ein Zeichen setzen müssen.

So aber bleibt den Spielen in der Schwarzmeerstadt vor allem der schale Beigeschmack von Menschenrechtsverletzungen. Die schrillen Bilder von Pussy Riot werden in Erinnerung bleiben. Die regierungskritische Frauen-Punkband aus Moskau nutzte Olympia geschickt als PR-Plattform. Sie trat vor den Olympischen Ringen auf und traf den Nerv der Sicherheitskräfte, die Peitschen gegen die Musikerinnen einsetzten - millionenfach abgerufen im Internet.

Youtube macht's möglich und überrollt die Ewiggestrigen. Als Russland die Spiele vor sieben Jahren zugesprochen wurden, war die Welt noch eine andere. Nur Visionäre erkannten die Wucht der neuen Medien und den damit einhergehenden Kontrollverlust für Despoten. Putin hat Milliarden investiert, doch sein Ziel verfehlt, sich innen- wie außenpolitisch positiv zu profilieren.

Olympia wurde oft für politische Zwecke missbraucht: 1980 und '84 bei den Ost-West-Boykottspielen, 1972 für das Palästinenser-Attentat, 1936 von Hitler. In der globalisierten Welt des 21. Jahrhunderts aber funktioniert das nicht mehr. 2008 stand China am Pranger, jetzt Putins Russland.

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