Kommentar Partei unter Druck - Piraten funken SOS

Die Piratenpartei wird zur Chaotenpartei - zumindest in ihren Spitzengremien. Eitelkeiten, Egoismen, Bürgerferne: Vorwürfe, die sich die etablierten Parteien stets anhören müssen. Wenn sich dann Gruppen formieren, die frisch und unverbraucht daherkommen, hat das zunächst den Charme des Neuen. Das war bei den Piraten nicht anders.

Doch deren Erfolgsgeschichte neigt sich offenbar schon jetzt dem Ende zu. Der Politische Geschäftsführer Johannes Ponader etwa lässt Spenden für sich sammeln, weil er keine Lust zum Arbeiten hat (Berufsangabe "Lebenskünstler"), Vorstandsmitglied Julia Schramm fordert ein Recht auf kostenlose Kopien von Musik und Büchern, lässt aber zugleich eine kostenlose Kopie ihres eigenen Buches im Internet sperren, um ordentlich Geld zu verdienen.

Dies sind, neben manch inhaltlichem Wahnsinn wie der Forderung nach Hitlers "Mein Kampf" als Pflichtlektüre an Schulen, einige Ursachen für den Piraten-Absturz in Umfragen.

Nun könnte man die junge Partei abhaken und zur Tagesordnung übergehen. Dem ist aber nicht so. Vielmehr wird die Entwicklung der Piraten in allen Parteizentralen mit Argusaugen beobachtet, denn die Zukunft der Piraten dürfte Auswirkungen auf die Bundestagswahl 2013 haben.

Nach heutigem Stand werden die Union, die SPD, die Grünen und die Linken in den Bundestag einziehen, FDP und Piraten stehen auf der Kippe. Doch was passiert, wenn die FDP und die Piraten scheitern? Für die Union ist das ein Schreckgespenst, weil sie dann außer der Führung einer großen Koalition keine weitere Machtoption mehr hat. Aber warum sollte sich die SPD in einem solchen Fall als Juniorpartner zufrieden geben, wenn sie in der genannten Vier-Parteien-Konstellation gleich mehrere Optionen hätte?

Angela Merkel dürfte ihre Wahlkampf-Strategie deshalb darauf ausrichten, die Union zu profilieren und zugleich den Liberalen öffentliche Erfolge zu gönnen. Eine Gratwanderung, die dadurch erschwert wird, dass es in der Koalition stets rumort und zu viele Beteiligte in Union und FDP eine Fortsetzung nach der Wahl skeptisch sehen. Sie haben schlicht keine Lust mehr aufeinander.

Ganz abgesehen davon wird die FDP schleunigst die Weichen stellen müssen, um den Absturz zu verhindern. Wenn die Liberalen im Januar bei der Wahl in Niedersachsen scheitern, sind die Tage von Parteichef Philipp Rösler gezählt. Dann würde FDP-Routinier Rainer Brüderle vermutlich für einen Übergangszeitraum übernehmen, um die Liberalen bei der Bundestagwahl über die Fünf-Prozent-Hürde zu bringen und das Feld für FDP-Hoffnungsträger Christian Lindner zu bestellen.

Insofern haben FDP und Piraten eine bemerkenswerte Gemeinsamkeit: Ihr Schicksal entscheidet über die Zusammensetzung der nächsten Bundesregierung.

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