Parteitag der britischen Konservativen

Mogelpackung

Triumphgefühle hat die Tory-Spitze ihren Mitgliedern zum Parteitag ausdrücklich untersagt. Doch ihre Umfragewerte sind die besten seit der Hochphase von Margaret Thatcher.

Da mag das Knallen der Champagnerkorken inmitten der Finanzkrise gedämpft ausfallen, doch der Optimismus, die Labour-Regierung bald ablösen zu können, bleibt ungebremst. Zeit zu fragen, was die Renaissance der "New Tories" überhaupt vorwärts treibt: Stil oder Substanz?

Wenn Konservative in England plötzlich wieder chic sind, dann liegt das vor allem am 41-jährigen Parteichef. David Cameron hat dem verstaubten Tory-Image neues Leben eingehaucht, indem er ausgetretene Pfade verlässt und sich die Rosinen aus dem Labour-Programm pickt: Grüne Umweltpolitik, soziale Mobilität und Zuschüsse zur Kinderbetreuung, all das steht neuerdings auch auf seiner Agenda.

Das lässt die "New Tories" in der Wählergunst nach oben schnellen, nährt aber auch Skepsis. Denn Camerons moderner, persönlicher Stil täuscht über die Tatsache hinweg, dass die Tories parteiinterne Reformen dringend nötig hätten. Die Partei, die mittlerweile sozialen Aufstieg und Chancen für alle propagiert, hat sich selber in den letzten zehn Jahren kaum geändert. Das multi-ethnische Gesicht des Landes, der berufliche Vormarsch der Frauen, all das spiegelt sich in der Zusammensetzung der Partei kaum wieder.

Die Diskrepanz zwischen Image und Substanz wird aber wohl nirgendwo so deutlich wie in der Finanzierung der Partei. Ausgerechnet jetzt, im Schatten der Finanzkrise, stellt sich heraus, dass Hedge-Fund-Manager, Finanzspekulanten und Steuerflüchtlinge die Konservativen extrem spendabel unterstützen. Dass sich die Tories jetzt jedoch als Patron der Spekulationsopfer präsentieren, zeigt einen neuen, zynischen Trend: Zwischen Stil und Substanz geraten immer mehr Inches Unterschied.

Die Tories sind nicht schuld daran, dass diese Entwicklung mittlerweile die Politik dominiert, aber sie nutzen diesen Trend am effektivsten. Im "falschen" oder "richtigen" Stil liegt nicht nur die Wurzel von Camerons Erfolg, sondern auch das Scheitern von Premier Gordon Brown. So lange beide Parteien sich rühmen, ideologischen Ballast abzuwerfen und in die Mitte des politischen Spektrums drängen, wird Stil auch weiter entscheidend bleiben - die Substanz ähnelt sich oft so sehr, dass sie zur Profilierung ohnehin kaum noch taugt. Und je undurchschaubarer die globale Finanzkrise für die Wähler wird, desto mehr vertrauen sie auf ihren Eindruck, nicht auf harte Fakten.

Wie bei vielen Ämtern dürfte aber auch im bevorstehenden britischen Wahlkampf gelten: Posten lassen sich vielleicht durch Stil gewinnen, aber nicht halten, wenn der Inhalt das Image als bloße Mogelpackung entlarvt.

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