Kommentar Parteitag der US-Republikaner - Ideologie pur
Eine Partei, die sich Ideologien zum Leitstern macht, nicht Tatsachen und Notwendigkeiten, ist auf Dauer gefährlich. In dieser Verfassung ist sie eine Bedrohung für den inneren Frieden.
Als Pat Buchanan 1992 auf dem Parteitag der Republikaner in Houston den "Kultur-Krieg" ausrief und die Demokraten beschuldigte, Abtreibung, Feminismus und Homosexuellen-Rechte zu propagieren, war es eine Minderheit in der "Grand Old Party" in Amerika, die dem Brunnenvergifter folgte.
Liest man 20 Jahre danach die in Florida abgesegnete Partei-Plattform, legt man die roten Fäden der vielen Reden von Tampa aneinander, in denen oft nur das wütend greinende Nichts steckte, muss man schlussfolgern: Extreme Positionen sind erschreckend stabil und mehrheitsfähig geworden in einer Partei, die ihre Rechte nicht aus demokratisch legitimierten Prozessen ableitet. Sondern vom lieben Gott.
Lieber Gott? Eine Partei, die vergewaltigte Frauen, deren Leben bei einer Entbindung bedroht ist, dazu zwingen will, trotzdem ein Kind zur Welt zu bringen, verabschiedet sich nicht nur aus der Gemeinschaft der Vernunft. Sie tritt auch die Mitmenschlichkeit mit Stiefeln. Das ist ein Beispiel von vielen.
Mitt Romney hätte mit einer Rede, die über die von ihm bekannten, im Ungefähren wabernden Versprechungen, Amerika schöner, besser und irgendwie amerikanischer zu machen, diese Konfrontation aufweichen können.
Er hat versagt. Anstatt den Amerikanern zu erklären, dass Führungsmachtansprüche und Cowboy-Attitüden, die den Petticoat-Geist der 50er Jahre atmen, im 21. Jahrhundert mit seinen vielen neuen Machtzentren nicht mehr viel ausrichten, flüchtete er sich in ein nostalgisches Es-soll-wieder-so-schön-wie-damals-werden.
Weder Romney noch sein Vize Paul Ryan haben in Florida einen gangbaren Weg skizziert, wie Republikaner und Demokraten künftig Kompromisse in den zentralen Fragen wie Staatsverschuldung, Bildung, Steuergerechtigkeit, Militärhaushalt, Energie und Umweltschutz erzielen können.
Dagegen Hetze, Häme und eine beinahe pathologische Entschlossenheit zur wahrheitswidrigen Zuspitzung. Die Republikaner wollen keine Kompromisse. Sie wollen nach dem Repräsentantenhaus im November auch den Senat erobern und mit Romney und dem Obersten Gerichtshof an der Flanke durchregieren.
In dieser Verfassung sind sie eine Bedrohung für den inneren Frieden. Denn es gibt bei aller berechtigten Kritik an Präsident Obama ein anderes Amerika, in dem Eiferer und Hundertprozentige suspekt sind.
Dieses Amerika hat verstanden, dass es nicht frommt, militärisch weiter den Welt-Macho zu spielen, daheim alles kurz und klein zu sparen, die Reichen noch reicher werden zu lassen und den für viele unerreichbar gewordenen amerikanischen Traum nur noch anzubellen wie der Straßenköter den Mond.