Kommentar zum verschärften Bußgeldkatalog Politische Raserei

Meinung | Berlin · Die Landesverkehrsminister müssen nun dringend Auto-Mann Andreas Scheuer im Bund stoppen. Das bedeutet: Formfehler in der Präambel beheben und die beschlossenen Fahrverbote bestätigen, kommentiert Kristina Dunz.

 Nach der neuen Straßenverkehrsordnung wäre der Führerschein schon bei geringerer Geschwindigkeitsübertretung als bisher weg.

Nach der neuen Straßenverkehrsordnung wäre der Führerschein schon bei geringerer Geschwindigkeitsübertretung als bisher weg.

Foto: dpa/Paul Zinken

Es ist ein ganz besonderes Verkehrschaos, das der Verkehrsminister da anrichtet. Eines, das erahnen lässt, wer Herz und Hirn von Andreas Scheuer im Griff hat: die Autolobby. Nicht Fußgänger, nicht Radfahrer und nicht einmal jene, für die ein Zweikampf mit dem Auto in der Stadt fast immer tödlich endet: die Kinder. Sie alle zählen zu einer umsichtigen Verkehrspolitik. Aber nicht für Scheuer.

Der Bundesrat verschärfte die Straßenverkehrsordnung beziehungsweise erleichterte den Führerscheinentzug bei Geschwindigkeitsüberschreitungen, es kam zum erwarteten Aufschrei – und schon wirft sich der Minister schützend vor die Autofahrer. Beziehungsweise vor jene, die gern schnell fahren und das auch weiterhin ohne schnelles Fahrverbot tun wollen.

Saftige Geldbußen würden sie ja zahlen, auch weil sie es sich leisten können. Aber zu Fuß gehen oder den Bus nehmen – Höchststrafe. Womit bewiesen wäre, dass Raser nichts so fürchten wie ein Fahrverbot und nur dieses wirklich zieht. Wer sich aus Überzeugung und aus Sicherheitsgründen an die Verkehrsregeln hält, schimpft nicht über das ursprüngliche Vorhaben des Führerscheinentzugs, wenn man innerorts 21 oder außerhalb 26 Kilometer pro Stunde zu schnell unterwegs ist (bisher 31 und 41 km/h). Nun ist die StVO-Novelle aber erst einmal gestoppt. Der Bund hat die Länder aufgefordert, den alten Bußgeldkatalog wieder anzuwenden. Nicht, weil Scheuer ein sachliches Argument eingefallen wäre, sondern weil er einen Formfehler in der Eingangsformel der StVO entdeckt hat. Dort ist die Rechtsgrundlage für die neuen Fahrverbote nicht genannt, weshalb diese nichtig seien.

Am Montag sollen Vertreter von Bund und Ländern auf Abteilungsleiterebene beraten. Andreas Scheuer lässt die Landesverkehrsminister wissen: Wenn es kein Verhandlungsergebnis gebe, gelte der alte Bußgeldkatalog – aber ohne die geplanten Verbesserungen für Radfahrer. Zur Chuzpe kommt also auch noch Erpressung hinzu.

Die Landesverkehrsminister müssen nun dringend den Auto-Mann im Bund stoppen. Das bedeutet: Formfehler in der Präambel beheben und die beschlossenen Fahrverbote bestätigen.

Und Scheuer sollte noch über seine unverfrorene Behauptung nachdenken, wonach er wieder „Verhältnismäßigkeit“ herstellen wolle. In anderen Ländern wird gerade an Tempo 20 und 30 in Innenstädten gearbeitet und nicht daran, dass man 20 km/h zu schnell sein darf, ohne für einen Monat das Auto stehen lassen zu müssen, von 30 km/h ganz zu schweigen. Wer sich hier unverhältnismäßig verhält, ist nur Scheuer. Der Auto-Minister. Peinlich. Für die ganze Bundesregierung von Angela Merkel.

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