Kommentar Präsidentenwahl in Russland: Putinismus am Ende

Wladimir Putin mag wie ein strahlender Sieger aussehen, der unangefochten vor seiner dritten Amtszeit steht. In Wahrheit ist sein autoritär-dirigistisches System - der Putinismus - am Ende, weil es allein auf den Machterhalt der Oligarchen und Autokraten rund um den Kreml setzt.

Putin ist Gefangener seines eigenen Konservativismus. In dem Maße aber, wie er die Probleme Russlands in den kommenden Jahr nicht wird lösen können, wird die in jeder Hinsicht junge Protestbewegung gestärkt. Das wiederum schwächt die auf bedingungslose Autorität gebaute Machtbasis Putins mehr und mehr, ganz gleich, wie großartig der Wahlsieg von Sonntag Abend zunächst wirkt.

Dass der 59-Jährige es gleich im ersten Wahlgang geschafft hat, stoppt den Vertrauensverlust vor dem Hintergrund massiver Manipulationsvorwürfe nicht. Im Gegenteil. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion sorgten Armut und fehlende innere Stabilität für eine Apathie der Zivilgesellschaft. Zur Jahrtausendwende sahen die Menschen in Putin einen dynamischen Heilsbringer, der für bessere Lebensverhältnisse sorgen konnte und auch sorgte.

Bürgerliche Freiheitsrechte spielten da eine geringere Rolle, zumal diese in Russland ohnehin keine ausgeprägte Tradition hatten. Inzwischen haben sich jedoch zwei Dinge grundlegend geändert. Erstens: Die weltweite Finanzkrise ist auch an Russland nicht spurlos vorbeigegangen. Die Kluft zwischen Arm und Reich wird größer; viele Menschen stehen plötzlich ohne materielle Perspektive dar.

Zweitens: Immer mehr junge Russen entdecken bei Auslandsaufenthalten und/oder über das Internet, was es bedeutet, die Unzufriedenheit mit der eigenen Regierung öffentlich äußern zu dürfen. Putin reagiert auf die Proteste mit der Uneinsichtigkeit eines selbstverliebten, machtversessenen Herrschers. Er denunziert seine politischen Gegner, statt auf sie zuzugehen.

Und selbst wenn er auf sie zugehen wollte: Er kann es gar nicht. Was soll er auch tun? Die Justiz reformieren? Damit diese gegen seine Leute in Staat und Wirtschaft und am Ende gegen ihn selbst vorgeht? Die Korruption wirksam bekämpfen? Damit sich dann jene Eliten, die Putin stützt und die Putin stützen, nicht länger auf Kosten des Volkes bereichern? Pressefreiheit garantieren?

Damit die Medien über fehlende Gewaltenteilung, über Selbstbereicherung und Bestechung berichten? Mehr Demokratie - das würde mehr Kontrolle von unten bedeuten. Das Wesen des Putinismus besteht aber darin, mit Hilfe eines starken Staates Kontrolle von oben auszuüben.

Die Folgen für Staat und Gesellschaft sind fatal. Immer mehr gebildete Russen wollen raus aus dem Land, viel zu wenige ausländische Investoren rein. Bürokratie, Korruption und fehlende Rechtssicherheit schrecken auch deutsche Unternehmen ab, die den russischen Markt an sich gerne erobern würden.

Ein nachhaltiger wirtschaftlicher Erfolg, der Russland auch international mehr Gewicht verleiht, wird sich so nicht einstellen. Wirtschaftsmacht bezieht Russland derzeit allein aus dem Verkauf seiner Bodenschätze. Die egozentrisch-nationalistische Außenpolitik, zuletzt in Sachen Syrien zu beobachten, isoliert das Land zusätzlich. Erfolg verleiht sogar autoritären Systemen bis zu einem gewissen Grad Attraktivität. Doch hier ist der Misserfolg programmiert.

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