Russlands Rolle im Kampf gegen den Terror Putin profitiert

Moskau · Im ukrainischen Facebook kreisen wilde Thesen. Erst habe der russische Geheimdienst die Bombe in den russischen Airbus geschmuggelt, die die voll besetzte Maschine in der Luft über Sinai zerriss.

Dann habe er gemeinsam mit Fanatikern des Islamischen Staates die Terrorattacken in Paris organisiert. Und bald werde er in Moskau Selbstmordanschläge inszenieren. Ziel dieser Missetaten sei es, Panik zu sähen und dem verunsicherten Westen ein Militärbündnis gegen den IS aufzudrängen, ihm Zugeständnisse abzunötigen - vor allem die Anerkennung der russischen Eroberungen in der Ukraine.

Verschwörungstheorien sind gerade Mode. Aber es bedarf sehr ungesunder Fantasie, um Wladimir Putin bei all seiner Gerissenheit ein blutrünstiges Frühstückskartell mit den teuflischen Gotteskriegern des IS zu unterstellen.

Trotzdem, betrachtet man das weltpolitische Geschehen mit dem Zynismus Machiavellis, so kann man dem russischen Staatschef nur zu seinem Glück gratulieren. Oder auch zu seinem Geschick.

Nun steht Russland als schlagkräftiger und entschlossener Verbündeter im Kampf gegen das neue absolute Böse da: das IS-Terror-Kalifat.

Schon winkt der russische Föderationsrat mit Stalins, Churchills und Roosevelts Antihitlerallianz, fordert angesichts der gemeinsamen Bedrohung das Ende der Ukrainesanktionen. Aber auch Barack Obama, jemand der Putin bekanntlich nun gar nicht leiden kann, steckte gerade erst die Köpfe mit ihm zu einem intensiven Plausch zusammen, lobte Russland als "konstruktiven Partner" bei der Syrienkonferenz in Wien. Und Frankreichs Präsident Francois Hollande will nach Washington und Moskau reisen, um ein neues Antiterrorbündnis zu schmieden.

Aber wie hilfreich ist Russland wirklich? Trotz allen Propagandajubels zeigen Russlands Luftangriffe nicht überall Wirkung. Putins Kriegsmacht ist lautstärker, aber keineswegs kompetenter. Und keineswegs gewillt, Kastanien für den Westen aus dem Feuer zu holen, das Risiko einer Bodenoperation weist auch der Kreml heftig von sich. Außerdem verfolgt er bisher seine sehr eigenen Kriegsziele, bombardiert weniger IS-Truppen, als von den USA unterstützte "gemäßigte" Rebellen.

Auf dem Roten Platz stehen jetzt junge Putin-Fans vor Videokameras und reden auf den Westen ein: "Ich spüre deine Panik physisch." "Mein Präsident hat dich jahrelang vor der Gefahr warnt." "Ich schlage dir nicht aus Güte vor, zusammen zu kämpfen, sondern weil ich diesen Krieg kenne, und weiß, dass man allein nicht siegen kann."

Aber wenn ihr Führer wirklich Bündnispartner sein will, sollte er zuerst einmal seine Luftangriffe auf den IS konzentrieren. Als vertrauensbildende Maßnahme. Aber solche vertrauensbildenden Maßnahmen, sind nicht Putins Stärke. Weil man dazu selbst vertrauen muss.

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