Kommentar zu Gretas New York-Reise Reizfigur

Meinung · Greta Thunberg segelt dieser Tage nach New York, und mit jeder Seemeile, die sie zurücklegt, baut sich eine neuerliche Welle der Empörung über der 16-Jährigen auf, kommentiert GA-Redakteur Nils Rüdel.

 Greta Thunberg bei einer Pressekonferenz vor der Abfahrt in Plymouth.

Greta Thunberg bei einer Pressekonferenz vor der Abfahrt in Plymouth.

Foto: Kirsty Wigglesworth/AP

Von wegen klimaneutral!, höhnen die Kritiker – weitere Crew-Mitglieder der Segeljacht fliegen CO 2 -ausstoßend hinterher, um das Schiff zurück nach Europa zu bringen! Die Greta-Gegner sehen sich einmal mehr bestätigt: Alles nur Show. Wie praktisch – denn wenn man viel über die Klimasünderin Greta redet, muss man weniger über das anstrengende Thema Klima- wandel reden.

Natürlich: Gretas Reise mit der Segeljacht zum UN-Klimagipfel in New York ist eine PR-Aktion. Und sie verursacht CO 2 , so wie jede Reise. Greta macht PR für ihre Sache, den Klimaschutz. Dafür will sie Aufmerksamkeit, und die hätte sie mit einer Liveschalte per Videokonferenz wohl kaum so erhalten. Umweltaktivisten ketten sich an Bohrinseln. Sie rufen nicht auf der Bohrinsel an. So funktioniert die Aufmerksamkeitsökonomie. Auch dieser Kommentar ist letztlich Teil davon.

Greta Thunberg ist eine Provokation. Was immer sie macht oder sagt, ob sie nach New York segelt, im Hambacher Forst auftaucht oder einfach still mit ihrem Pappschild vor dem schwedischen Parlament sitzt – alle regen sich permanent auf. Kritiker arbeiten sich teils mit Häme, teils mit unerträglichem Hass an der Jugendlichen ab, schon weil sie durch ihre bloße Präsenz liebgewonnene, aber leider klimaschädliche Gewohnheiten in Frage stellt. Das wiederum lässt andere schier in Verzückung verfallen: Gretas Unterstützer bestrafen jeden mit heiligem Zorn, der ihre Aktionen hinterfragt. Greta Thunberg ist die Reizfigur unserer Zeit. Erst durch die Schwedin mit den Zöpfen und die von ihr inspirierten Jugendproteste ist das Thema Klimaschutz dauerpräsent geworden.

Das ist gut so. Aber der Wirbel um die Person Greta hat auch eine Kehrseite: Die eigentliche, gigantisch große Aufgabe, den Klimawandel aufzuhalten, rückt in den Hintergrund. Das gilt gleichermaßen für jene, für die die junge Schwedin der Leibhaftige ist, wie auch für jene, die sie heilig- sprechen würden.

Aber nicht Greta ist das Thema, sondern die Klimakrise. Ihr zu begegnen ist eine Menschheitsaufgabe. Alles wird sich ändern müssen, in Wirtschaft und Energieversorgung, in der Mobilität, im Konsum und in unseren Lebensgewohnheiten. Das wird Jahrzehnte dauern und viele Milliarden kosten. Das endlich anzugehen ist anstrengend. Wie leicht und folgenlos ist es stattdessen, über Greta Thunberg zu streiten.

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