Kommentar Reizthema Turbo-Abi

DÜSSELDORF · Das Turbo-Abitur bleibt ein heißumkämpftes Reizthema für Eltern, Lehrer und Schüler. 2017 wird in NRW gewählt - da will die Politik unkalkulierbare Risiken an den Urnen möglichst rechtzeitig ausräumen.

Die aufgeregte Suche der Sozialdemokraten nach einem "Plan B" zum verkürzten Abitur nach acht Jahren hat somit Gründe.

Nach massiven Protesten, Unterschriftenaktionen und einer Volksinitiative gegen das G8 wollte die Landesregierung die Widerstände über umfangreiche Entlastungen der Schüler eindämmen. Das Versprechen der Schulministerin, Erlass und Verordnung schon zum neuen Schuljahr umzusetzen, aber ist geplatzt. Zahlreiche Gymnasien haben die Ausbildungs- und Prüfungsordnung in der kurzen Zeit nicht umgesetzt.

Schulministerin Sylvia Löhrmann will eine Rolle rückwärts zum neunjährigen Abitur unbedingt verhindern, weil ein zusätzliches Schuljahr natürlich Tausende Lehrerstellen und Schulräume bindet. Für die Inklusion, Flüchtlingskinder und den Ausbau des Ganztags braucht die Ministerin aber mehr Lehrer. Weil das Geld nicht reicht, kommt der verkürzte Bildungsgang gerade recht.

Eigentlich wollte die Ministerin den Schulen nach der kräftezehrenden Reformitis der letzten Jahre eine Verschnaufpause gönnen. Damit dürfte es nach dem jüngsten Paukenschlag zum Schulstart an den Gymnasien erst einmal vorbei sein. Die Bürgerinitiative für die Rückkehr zum G9 wird nicht locker lassen. Niedersachsen hat unter dem Druck von Eltern und Lehrern das Turbo-Abitur wieder eingemottet. Löhrmann hat nur ein Jahr, um den Beweis anzutreten, dass ein verkürztes Abitur ohne Überlastung möglich ist.

Das neue Schuljahr stellt die Ministerin auch abseits des Turbo-Abiturs vor erhebliche Herausforderungen. Das gemeinsame Lernen von behinderten und nicht behinderten Kindern trifft im Grundsatz auf eine breite Unterstützung. Die Klage über fehlende Sonderpädagogen und Integrationshelfer aber wird lauter. Wenn Sonderpädagogen nur stundenweise in Klassen zur Verfügung stehen, kann der erhöhte Förderbedarf nicht erfüllt werden. Wenn aber neue Schwerpunktschulen für den inklusiven Unterricht gebildet werden müssen, dann wird der Grundgedanke der allgemeinen schulischen Inklusion konterkariert.

Nordrhein-Westfalen investiert bis 2017 fast eine Milliarde Euro in die schulische Inklusion und stellt dafür 3200 zusätzliche Lehrer bereit. Weil aber an allen Ecken und Enden Integrationshelfer fehlen, bemüht sich das Land über eine Bundesratsinitiative um einen flexibleren Einsatz der Helfer. Es wäre sinnvoll, dass ein Integrationshelfer - anders als heute - mehr als eine Schülerin pro Klasse betreuen dürfte. Bei einer Bündelung der Aufgaben in einer "Pool-Lösung" stünde den Kindern immer ein Integrationshelfer verlässlich zur Seite.

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