Kommentar Riesen-Taifun zum 19. Klimagipfel - Natur ohne Limit

Man könnte es als Menetekel betrachten: Ausgerechnet vor dem 19. Weltklimagipfel, der heute in Warschau beginnt, produziert das nach Art eines Zufallsgenerators taktende Klimasystem den stärksten Wirbelsturm, der seit 1851 je an Land gegangen ist.

Die weltweiten Medien hatten "Sturmvogel", was "Haiyan" im Chinesischen bedeutet, zunächst gar nicht auf dem Schirm. Das wäre auch so geblieben, hätte der Taifun weiter nur das Meer durchpflügt. Doch er hat mit unvorstellbarer Böen-Kraft die Verwundbarkeit dicht besiedelter Küsten bloßgelegt und die Erkenntnis bestärkt, dass Naturgewalten kein Tempolimit kennen.

Auch wenn Wissenschaftler vorhergesagt haben, dass eine Wirkungskette des Treibhausgasmülls der Zivilisation in stärkeren Wirbelstürmen münden könne, bleibt die Crux, wie bei manchem Jahrhundert-Hochwasser: War es nur ein Extremwetter oder die Botschaft eines Planeten, der von seinen energiehungrigen Bewohnern in eine wärmere Zukunft geschickt worden ist? Eine Frage, die heute nicht beantwortet werden kann, aber vielleicht schon in wenigen Jahrzehnten, wenn die Wetterstatistik eine Indizienkette mit Beweiskraft gesponnen hat.

[kein Linktext vorhanden]Einstweilen bleibt die interessengesteuerte Exegese. Die von immer mehr und höheren Wetterschäden geplagten Versicherungskonzerne fordern mehr Klimaschutz, während die Verteidiger der fossilen Brennstoff-Ära bis zum letzten Tropfen (Öl) oder letzten Brikett (Kohle) das herkömmliche Wachstum befeuern möchten.

Folgt man dem UN-Weltklimarat, wo in 25 Jahren Tausende Forscher den weltweiten Wissensstand zusammengetragen haben, so gibt es nicht mehr viel zu sagen. Die Gewissheit der Wissenschaftler ist seit 1988 gestiegen und hat 2013 eine Wahrscheinlichkeit von 95 bis 100 Prozent erreicht: Der Mensch ist Klimamacher und hat seit Beginn der industriellen Revolution Treibhausgase in einer Dimension freigesetzt, die planetare Kraft entfaltet.

Auch das ein Menetekel: Ausgerechnet im Braun- und Steinkohleland Polen tagen nun die Vertreter von 194 Staaten, um die von Milliarden Menschen gezündete Lunte - endlich - unter Kontrolle zu bringen. Damit die heillos zerstrittenen Entwicklungs-, Schwellen- und Industrieländer auch weiterhin nur Gipfeldiplomatie und Windstille produzieren, bläst parallel zur UN-Klimakonferenz die internationale Kohleindustrie zum Fanal. Ebenfalls in Warschau. Alle Fossilen dieser Welt vereinigt Euch!

[kein Linktext vorhanden]Dem Klimaschutz läuft die Zeit davon. Die Uhr tickt. Wenn die Treibhausgas-Weltemission ab 2015 nicht drastisch sinkt, verliert der Mensch seinen Einfluss auf das Klimasystem. Deshalb empfehlen Physiker sofortiges Handeln, während der Horizont der "Weiter-so"-Lobbyisten nur bis zur nächsten Bilanz reicht

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