Kommentar Risse in der schwarz-gelben Koalition - Auf dem Holperweg

Durchhalten. Darum geht es Angela Merkel. Und vermutlich auch Horst Seehofer. Und nach Lage der Dinge, die sich im Falle der FDP schnell ändern können, wohl auch Philipp Rösler. Durchhalten hat die schwarz-gelbe Koalition, 2009 als gefühlte Wunschkonstellation gestartet, zum Prinzip erhoben.

Wenigstens im Bund soll halten, was versprochen war. Denn politische Ehen sind zuletzt beinahe inflationär vor der Zeit aufgekündigt beziehungsweise zwangsbeendet worden: vorzeitiges Ende der schwarz-gelb-grünen Jamaika-Koalition im Saarland, vorzeitiges Aus der rot-grünen Minderheitsregierung in Nordrhein-Westfalen, vorzeitige Neuwahlen in wenigen Wochen auch in Schleswig-Holstein.

Und wer es vergessen hat: Auch Schwarz-Grün in Hamburg hatte sich im vergangenen Jahr frühzeitig aufgelöst. Zudem sind innerhalb von weniger als zwei Jahren zwei Bundespräsidenten vor Ablauf der laufenden Amtszeit gegangen. So viel politische Selbstauflösung hat die Republik bislang noch nicht erlebt und verkraften müssen.

Wer will noch mehr davon? Bundeskanzlerin Merkel jedenfalls hat in ihrem Teil der Verantwortung das feste Ziel, für Stabilität in Deutschland (und in Europa) zu sorgen und die von ihr geführte schwarz-gelbe Koalition über die Zielmarke der Bundestagswahl 2013 zu bringen, auch wenn es noch so holpert. Die CDU-Vorsitzende setzt auf Durchregieren, weil sehr viel mehr im Zusammenspiel mit der eigenwilligen CSU und ihrem unberechenbaren Vorsitzenden sowie der in Todeszone kämpfenden FDP seit geraumer Zeit nicht geht.

Aber wenigstens will Merkel mit ihrem Namen eine Art Garantie verknüpft sehen, dass nicht auch im Bund noch vorzeitig gewählt werden muss. Gerhard Schröder hat sich 2005 - damals in einigermaßen aussichtsloser Lage für seine SPD - aus Gründen der Staatsraison zu vorzeitigen Neuwahlen entschlossen. Danach war er nicht mehr Kanzler. Merkel will eine dritte Amtszeit und richtet ihr Handeln danach aus. Risiko ist ihre Sache nicht. Doch Durchhalten ist wenig genug, wenn ein Land wie Deutschland, nach den USA, China und Japan die viertstärkste Volkswirtschaft der Welt und Europas wichtigste Wachstumsmaschine, regiert werden soll.

CDU, CSU und FDP gehen mit wenig gemeinsamer Begeisterung, aber jeder Menge Problemen in die Osterpause und bald auch in das letzte Viertel ihrer Wahlzeit. Der Zoff ums Betreuungsgeld, das die CSU um jeden Preis will, der Streit über eine höhere Pendlerpauschale, mit der die FDP zu punkten versucht, das Ringen um eine Transfergesellschaft für Schlecker oder auch der Dauerzank zwischen Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) und Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) über die Vorratsdatenspeicherung sind Belege für die Gräben innerhalb des Regierungslagers.

Merkel als Frosch vorzuführen, das macht Rösler auch nur einmal. Selten hatte eine Bundesregierung, zumal eine bürgerliche, so schnell den Vorrat ihrer politischen Gemeinsamkeiten verbraucht wie diese. Die FDP wird sich gut überlegen müssen, ob es klug ist, Wahlkampf in den eigenen (Koalitions-)Reihen zu führen. Noch ist alles möglich und die Strecke bis zum Wahltag 2013 lang. Aber Gemeinsamkeit ist kein Selbstläufer. Und Regieren ist ein Auftrag. Man muss ihn nur erfüllen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Die Lage ist ernst
Kommentar zur islamistischen Bedrohung Die Lage ist ernst
Euphorie im Anflug
DFB-Team überzeugt gegen Frankreich Euphorie im Anflug
Zum Thema
Kosten über Sicherheit
Kommentar zum Einsturz der Brücke in Baltimore Kosten über Sicherheit
DFB-Team mit neuem Spirit
Kommentar zur Fußball-Nationalmannschaft DFB-Team mit neuem Spirit
Assange und das Recht
Kommentar zur aufgeschobenen Auslieferung Assange und das Recht
Aus dem Ressort