Kommentar Russische Siegesparade - Gepanzertes Gedenken

Es ist die zentrale Zeremonie des Jahres. Am 9. Mai veranstaltet Russland die Parade zum 70. Jahrestag des Sieges über Hitlerdeutschland. Es wird eine Rekordparade.

16.000 Soldaten, rund 200 Kampffahrzeuge, 143 Hubschrauber und Flugzeuge. Eine Gedächtnismonumentalshow im Stechschritt.

Erstmals fahren neueste Armata-Panzer auf, die russische Presse jubelt, sie seien allen westlichen Modellen überlegen. Dazu ebenso neue Schützenpanzer, Raketensysteme. Das schwere Selbstfahrgeschütz Koalizija-SW, das auch Festungen des Feindes vernichten soll. Keine wirklichen Defensivwaffen. Auch die Buk-M2-Luftabwehrraketen rollen übers Pflaster, ein Geschoss dieses Typs soll die malaysische Boeing abgeschossen haben.

Es wundert nicht, dass Polens Präsident Komorowski von einer "Demonstration militärischer Stärke" spricht, bei der es nicht um "die Geschichte sondern um die Gegenwart und die Zukunft geht". Es wundert auch nicht, dass angesichts der russischen Intervention in der Ukraine außer Komorowski auch viele andere Staatsoberhäupter die Einladung zur Leistungsschau der russischen Rüstungsindustrie abgelehnt haben.

Dabei will sich Moskau als Welthauptstadt des Antifaschismus präsentieren. Die Staatsmedien beanspruchen einen moralischen Persilschein für die eigene - zum Teil gewalttätige - Politik. Ob es um die "präventive" Militärinvention auf der Krim geht oder um Repressalien gegen die liberale Opposition. Russland beharrt darauf: Europa und die Welt sind ihm ewig zu Dank verpflichtet, weil es sie im Weltkrieg vor dem Hitlerfaschismus rettete. Dabei unterschlägt es den Hitler-Stalinpakt, die Tatsache, dass die Sowjetunion und Nazideutschland in den ersten beiden Kriegsjahren in Osteuropa gemeinsame Sache machten.

Es ist müßig zu streiten, ob der Opfermut der Rotarmisten in den Schützengräben vor Moskau und in Stalingrad allein ausgereicht hätte, um Hitlerdeutschland zu besiegen. Aber drei Jahre lang war die Ostfront der Hauptkriegsschauplatz. 27 Millionen Sowjetbürger bezahlten mit ihrem Leben dafür, dass die deutsche Kriegsmaschinerie dort zerbrach. Deutschland hat weiter allen Grund, sich an die russischen Opfer des Vernichtungskrieges zu erinnern. Und es ist nur historische Pflichtschuldigkeit, dass Kanzlerin Angela Merkel am Tag nach der Parade nach Moskau fliegt, um der Opfer zu gedenken.

Das dröhnende Spektakel am 9. Mai aber zielt auf die Gegenwart. Der Kreml will das heimische Publikum für die vaterländische Streitmacht begeistern und die Gäste einschüchtern. Russland, seine Elite, seine Öffentlichkeit schwelgen in Hurrapatriotismus. Sein Verteidigungsminister twittert von Panzertouren nach Polen. Der Kreml predigt Antifaschismus, veranstaltet aber Militarismus. Und Europa sollte Russland nicht wahrnehmen, wie es sein möchte, sondern wie es ist.

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