Kommentar Russland/Sanjktionen - Der Preis

Russland ärgert und ereifert sich durchaus über die Sanktionen des Westens. Da haben zwei Schweizer Nationalräte die Teilnahme der russischen Kunstflugstaffel "Russische Recken" an der Flugschau Air 14 in Frage gestellt.

Schon beteuert der Oberkommandierende der russischen Luftwaffe, Russland sei keine Höllengeburt, und im Ausland seien die "Recken" ohne Bewaffnung unterwegs.

Heftige Diskussionen rief auch das Einreiseverbot der lettischen Regierung für drei russische Popstars hervor, wegen antiukrainischer Sprüche. Prompt forderte ein Petersburger Stadtabgeordneter, einen ukrainischen Sänger künftig aus Russland auszusperren, weil er ein T-Shirt mit dem ukrainischen Staatswappen getragen hatte. Seriöse, wirtschaftliche, Strafmaßnahmen kümmern die russische Öffentlichkeit weniger.

Dass am Donnerstag die EU-Botschafter in Brüssel wieder Sanktionen beschlossen, interessierte in Moskau weniger, als die Frechheit der Polen, ihr russisches Kulturjahr zu kippen. Denn über härtere Sanktionen wie etwa Kontosperren für russischen Konzerne oder einen Lieferstopp für Rüstungs- und Energietechnik dachte Brüssel nur laut nach.

In Moskau hat man sich daran gewöhnt, dass die EU viel und laut nachdenkt: Die Deutschen sind prinzipiell gegen Sanktionen, wollen aber den Franzosen verbieten, Russland ein lange bestelltes Landungsschiff zu liefern. Die Briten rufen laut "Waffenembargo", verkaufen dabei selbst Scharfschützengewehre. Das europäische Stimmengewirr ruft in Russland sogar Ratlosigkeit hervor.

Schließlich klammert sich Putins Öffentlichkeit an die alte Kalter-Kriegs-Wahrheit, dass der böse Westen, angeführt von den USA, zielstrebig daran arbeitet, Russland zu schädigen, bis zur Vernichtung. Nichts davon ist zu merken. Gasprom hat hastig einen monumentalen, aber keineswegs glänzenden Deal mit den Chinesen abgeschlossen, um Russlands Abhängigkeit vom EU-Markt vorbeugend zu verringern. Europa aber hat noch keinen Kubikmillimeter abbestellt. Und der erste niederländische Politiker, der laut darüber nachdachte, Putins in Holland lebende Tochter Mascha auszuweisen, hat sich schon entschuldigt. Obwohl Moskauer Journalisten schon Tage vorher Wetten auf Maschas Rauswurf abschließen wollten.

US-Präsident Barack Obama redet seit Monaten von den "immer höheren Kosten", die Russland für seine kriegerische Politik gegenüber der Ukraine drohen. Derweil steigt allerdings auch der Preis, den der Kreml für einen Frieden zu begleichen hätte. Seit Anfang April trichtert die staatliche Propaganda dem Volk ein, die prorussischen Rebellen verteidigten Frauen und Kinder vor der Völkermordgier der "faschistischen Junta". Und ein Großteil der Russen glaubt daran.

Je länger der Krieg im Donbass dauert, umso heftigere Verratsvorwürfe riskiert der Kreml, wenn er Waffen und Kader aus dem Kampfgebiet abzieht und die Separatisten ihrem Schicksal überlässt.

Schlimmstenfalls entsteht eine neue nationalistische Opposition, die Front gegen das Regime macht. Aber um Putin wirklich in diese Verlegenheit zu bringen, muss sich der Westen wohl stärkere Argumente einfallen lassen.

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