Kommentar zum Fall Sea-Watch 3 Schande für Europa

Meinung · Die Festnahme der Sea-Watch-Kapitänin Carola Rackete ist eine Schande nicht nur für Italien und eine Verhöhnung jener christlichen Werte, auf die sich Matteo Salvini so gern beruft, kommentiert unser Autor.

Was Carola Rackete auf hoher See getan hat, hätte auch jeder andere Schiffsführer machen müssen: Menschen in Seenot sind zu retten und an einen sicheren Ort zu bringen. Das gilt - ein Skandal, dass man das im heutigen Europa eigens betonen muss - für alle Schiffbrüchigen, für Passagiere einer brennenden Fähre ebenso wie für Flüchtlinge, die versuchten, unerlaubt nach Europa zu gelangen. Das Leben eines jeden Menschen ist zu schützen. Punkt.

Sollte Rackete im Hafen von Lampedusa tatsächlich ein Polizeiboot gefährdet haben, dürfen die italienischen Behörden dieses Verhalten natürlich prüfen. Dabei ist aber nicht zu vergessen, wer die Eskalation zumindest billigend in Kauf genommen hat: Die italienische Regierung, getrieben von Innenminister Matteo Salvini, erklärt die Seenotrettung zum Verbrechen, bestraft sie drakonisch und sperrt ihre Häfen für Schiffe mit Flüchtlingen. Auch eine Zusage von fünf Ländern, Flüchtlinge von Bord der Sea-Watch 3 aufzunehmen, bewegt den Scharfmacher in Rom nicht dazu, die Registrierung dieser Menschen zuzulassen.

Aber bei aller notwendigen Kritik an Salvini: Er ist nicht der einzige europäische Politiker, der für die unerträgliche Lage im Mittelmeer verantwortlich ist. Die EU liefert an ihrer Südküste ein Beispiel kollektiven Versagens. Bezeichnend ist das Scheitern der Marinemission Sophia, aus der die Bundeswehr gestern die letzten Soldaten abgezogen hat. Man verzichtet auf gemeinsame Grenzsicherung und Flüchtlingshilfe - und überlässt das Mittelmeer Schlepperbanden, die darauf setzen, dass private Retter sich schon um die Opfer ihrer Geschäfte kümmern werden. Eine Schande für Europa und eine Verhöhnung jener christlichen Werte, auf die sich Salvini so gern beruft.