Kommentar Schmerzensgeld für Ex-Häftlinge - Schwer erträglich

Man mag den Karlsruher Urteilsspruch ja als Skandalurteil empfinden. Sexual- und andere Gewalttäter werden, so das Stammtisch-Empfinden, für ihre Straftaten noch reichlich belohnt.

Es wird wieder so dicke wie herablassende Schlagzeilen geben über die Glaubwürdigkeit des Rechtsstaates, der die Täter mutmaßlich schützt. All dies sind legitime Empfindungen nach dem Karlsruher Urteil. Doch diese Aufgeregtheit geht an der Sache weit vorbei.

Denn Tatsache ist, dass diverse Bundesregierungen seit 1998 in dieser rechtsstaatlichen Kardinalsfrage geschlafen haben. In diesem Jahr wurde die Zehnjahresfrist für die Sicherungsverwahrung aufgehoben. Das Bundesverfassungsgericht hat diese politische Entscheidung zunächst bestätigt, musste sich aber vom Europäischen Menschenrechtsgerichtshof vor drei Jahren korrigieren lassen: Es legte die maximale Dauer der Sicherungsverwahrung auf zehn Jahre fest. Die Karlsruher Verfassungsrichter folgten auch dieser neuen Einschätzung.

So entstand in Deutschland eine Gruppe von fast 100 Gewalttätern, die ohne rechtliche Grundlage zu lange in Sicherungsverwahrung gesessen hat. Vier von ihnen klagten auf Entschädigung. Mit durchschlagendem Erfolg. Daraus entsteht eine perverse Situation: Es wird eine Prozess-Lawine ehemaliger Schwerstverbrecher gegen die Bundesrepublik auf Entschädigungszahlungen geben. Diese Entwicklung verursacht erhebliches Unbehagen. Aber man muss sie in einem demokratischen Rechtsstaat ertragen.

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