Kommentar zu Familien in der Krise Schwache Lobby

Meinung | Düsseldorf · Die Corona-Krise verschärft die Belastung von erwerbstätigen Eltern mit kleinen Kindern. Mütter, Väter und die unter der Situation leidenden Kinder leisten einen ungeheuerlichen Dienst an der Gesellschaft, kommentiert unser Autor.

 Die Belastung für Eltern ist in der Corona-Krise enorm.

Die Belastung für Eltern ist in der Corona-Krise enorm.

Foto: dpa/Julian Stratenschulte

Selbst in normalen Zeiten, in denen es keine Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen gab, war die Vereinbarkeit von Familie und Beruf für viele erwerbstätige Eltern kleiner Kinder eine große Herausforderung. Mehrere Familienministerinnen arbeiteten sich an dem Thema schon ab. Aber verglichen mit dem, was berufstätige Mütter und Väter derzeit (und wohl noch eine ganze Weile länger) leisten müssen, waren die Bedingungen fast schon bequem.

Haben sie in der Corona-Krise das Glück, weiterhin ihren Beruf aus dem Homeoffice ausüben zu können, müssen Eltern nun seit Wochen nebenbei auch noch Unterricht vermitteln, die Kleinsten adäquat betreuen, also Bücher vorlesen, mit ihnen spielen, das Vorschulprogramm abspulen, die Mittagsverpflegung übernehmen und natürlich den Haushalt erledigen. In vielen Familien sitzen die Kinder mittlerweile deutlich länger vor Fernseher oder Tablet, damit die Eltern ungestört in Telefon- oder Videokonferenzen sein können.

Mütter, Väter und die unter der Situation leidenden Kinder leisten einen Dienst an der Gesellschaft, damit die Ausbreitung des Virus nicht das Gesundheitssystem überfordert. Was damit nicht zusammenpasst, sind einzelne Lockerungsübungen für die Wirtschaft. Wenn in manchen Bundesländern die Shoppingcenter nun wieder öffnen, weil die einzelnen Läden darin weniger als 800 Quadratmeter Verkaufsfläche haben, die Menschen sich aber auf Rolltreppen, in Parkhäusern und den Gängen nicht aus dem Weg gehen können, hat das nichts mit angemessenem Infektionsschutz und einer fairen Lastenverteilung in der Gesellschaft zu tun. Denn sollten deswegen künftig die Infiziertenzahlen wieder steigen und strengere Maßnahmen unabdingbar werden, bleiben die Kitas noch länger als bis August geschlossen.

Augenmaß ist jetzt bei politischen Entscheidungen wichtiger denn je. Das gilt auch für die Unterstützung von Familien, deren Lobby längst nicht so stark ist wie die einzelner Branchen. Eine Arbeitsgruppe soll nun Vorschläge unterbreiten, unter welchen Bedingungen Kitas wieder öffnen könnten. Sie sollte dabei dringend auch jene Familien berücksichtigen, in denen kein Elternteil einem systemrelevanten Beruf nachgeht, die aber vielleicht in beengten Verhältnissen wohnen oder wo das Kindeswohl gefährdet ist. Deutschland hat viel Lob für sein Krisenmanagement bekommen. Die Maßnahmen für die Familien jedoch reichen längst nicht aus.

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