Kommentar Schwimmunterricht für Muslime - Keine Einbahnstraße

Die Richter des Bundesverwaltungsgerichts haben hohe Sensibilität bewiesen. Obwohl: Die Klagen der jungen Muslimin und des Mitglieds der Zeugen Jehovas sind nur formal korrekt beim Leipziger Gericht angesiedelt. Es ist entscheidend, dass - über den Tellerrand einer Schulverwaltungsanordnung hinausschauend - die Frage der Grenze der Religionsfreiheit vom Bundesverfassungsgericht, möglicherweise vom Europäischen Menschenrechtsgerichtshof, geklärt wird.

Denn klar ist: Das Problem des Umgangs mit den Ansprüchen religiöser Minderheiten ist - bei Licht besehen - ein länderübergreifendes Problem.

Eine rationale Debatte über Klage und Urteil wird erschwert durch die durchaus schwer wiegende emotionale Komponente, die sich bündig in die Volksmund-Frage kleiden lässt: Dürfen sich einzelne Vertreter religiöser Minderheiten in Deutschland denn alles herausnehmen? Das ist selbst eine für glühende Multi-Kulti-Anhänger nicht mehr eindeutig zu beantwortende Frage.

Die religiöse Rigorosität, mit der das Anliegen verfolgt wird, vom Kino-Besuch oder, als Muslima, von der Teilnahme am gemeinsamen Schwimmunterricht mit Jungen befreit zu werden, stößt - mindestens - auf ungläubiges Staunen. Es richtet sich gegen bestimmte Lebensformen, die westlich-christlichen Zivilisationen fremd sind.

Das Betrachten von badenden jungen Menschen als Ausschlussgrund vom gemeinsamen Schwimmunterricht zu nutzen, dokumentiert eine Form von Intoleranz gegenüber den Deutschen, die mehr als nur befremdlich wirken muss. Die Besuchsverweigerung eines Kinofilms mit möglicherweise unerquicklichem Inhalt markiert ein hohes Potenzial an kultureller Intoleranz gegenüber den deutschen Behörden. Es ist nicht polemisch gemeint: Dass sich diese Form zum egoistischen Gegeneinander der Kulturen entwickelt, ist - beispielsweise - auch an der wachsenden Intensität der furchterregenden Christenverfolgung in muslimischen Staaten zu sehen.

Nun enthebt diese gefühlte Abwehr fremd wirkender Verhaltensweisen die deutschen Behörden nicht von der Suchpflicht nach Kompromissen für den Alltag. Dabei müssen - bei allem Respekt für gesellschaftliche Toleranz - die Hürden für Ausnahmeregelungen so hoch wie möglich gelegt werden. Der Staat hat eine Pflicht zur Integration ausländischer oder ausländisch stämmiger Bürger auf dem Geltungsgebiet des Grundgesetzes. Aber es kann keine Einbahnstraße sein.

Der Staat hat einen - an Toleranz und Miteinander orientierten - eindeutigen Bildungsauftrag, den das Leipziger Gericht nochmals bestätigend hervorgehoben hat. An dieser gewachsenen Verfassungs-Philosophie führt kein Weg vorbei. Das muss jeder wissen, der in Deutschland leben will.

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