Kommentar Skandal um Organspenden - Perversion der Medizin

Für Patienten, die auf ein Spenderorgan warten, geht es nicht selten um Leben und Tod. Jeden Tag sterben drei Menschen, die auf der Warteliste stehen für eine Spenderniere, eine Leber, ein Herz oder eine Bauchspeicheldrüse.

Aus diesem Grund sind die Vorwürfe gegen den Göttinger Transplantationsmediziner so ungeheuerlich. Falls sich der Verdacht bewahrheitet, sorgte der Oberarzt mit Tricks und Kniffen, die neben hoher krimineller Energie eine erschreckende Taubheit des Gewissens dokumentieren, dafür, dass Patienten gegen hohe Geldzahlungen bei der Organvergabe bevorzugt wurden.

Im Raum steht die Möglichkeit, dass Menschen starben, weil ihnen zugunsten zahlungskräftiger Mitbewerber das lebensrettende Organ vorenthalten wurde. Die Transplantations-Warteliste als Konkurrenz der Todkranken, bei der das dickere Bankkonto entscheidet, wer lebt und wer stirbt - eine größere Perversion der Medizin ist kaum denkbar. Schwer vorstellbar, dass der Mann ohne Helfer gearbeitet hat.

Vor wenigen Wochen erst hat der Bundestag ein neues Organspendegesetz beschlossen. Das Ziel: Die Menschen zur Organgabe zu ermutigen, die viel zu geringe Zahl der Spender zu erhöhen. Die Vorwürfe gegen den Göttinger Arzt bedeuten für dieses Vorhaben einen schweren Rückschlag. Denn die Bereitschaft, selbst Spender zu werden, setzt unbedingtes Vertrauen voraus - Vertrauen darein, dass bei der Vergabe der Organe die Bedürftigkeit zählt, nicht Reichtum und Skrupellosigkeit.

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