Kommentar SPD-Kanzlerkandidatur - Der richtige Mann

Bei der Entscheidung für ihren Kanzlerkandidaten hat die SPD-Spitze gestern alles richtig gemacht. Sie zog die ursprünglich für den Januar geplante Kandidaten-Kür vor und entschied sich zudem für den richtigen Mann: Peer Steinbrück ist der einzige Vertreter aus der SPD-Troika, der Bundeskanzlerin Angela Merkel gefährlich werden kann.

Zum Zeitpunkt: Die Entscheidung Anfang 2013 wäre zu spät gekommen. Das weitere Lavieren hätte dem Trio Gabriel-Steinbrück-Steinmeier im Gesamten und zudem jedem Einzelnen geschadet. Außerdem muss der Kandidat noch genug Zeit haben, um sich gegen eine angesehene und etablierte Bundeskanzlerin zu positionieren, um Profil zu gewinnen. Deshalb mussten die SPD-Verantwortlichen ihren Plan ändern und jetzt handeln.

Zum Kandidaten: Steinbrück ist die richtige Wahl. Sigmar Gabriel musste erkennen - so sehr ihn das wohl schmerzen mag -, dass er im Wahlvolk nicht ankommt, dass er kein Mann für Mehrheiten ist. Frank-Walter Steinmeier hingegen genießt durchaus Sympathien, aber er hat nicht den Biss, den es für diesen Wahlkampf braucht.

Denn die Sozialdemokraten sind (noch) in der Defensive. Das Ansehen der aktuellen Regierungskoalition aus CDU/CSU und FDP ist zwar alles andere als gut, dennoch profitiert die SPD in sämtlichen Umfragen nicht davon. Sie dümpelt weiterhin im Niemandsland, eine Wechselstimmung ist nicht erkennbar.

Da braucht es einen Mann mit Profil, mit Kante. Einen, der wachrüttelt, der als kompetent gilt und durchaus auch für Wechselwähler interessant ist; auch für unzufriedene CDU- oder FDP-Sympathisanten. Steinbrück soll die Helmut-Schmidt-Wähler holen, hieß es gestern in Berlin. Ein Bild, das passt.

Mit Steinbrück ist die SPD für verschiedene Koalitionen kompatibel, neben Rot-Grün durchaus auch für eine Ampel mit Grünen und der FDP. Gerade den Grünen gegenüber hat er sich zuletzt von seiner freundlicheren Seite gezeigt. Zunächst aber muss Steinbrück die SPD-Basis hinter sich bringen - so, wie es im Übrigen in den 70ern und Anfang der 80er auch für Helmut Schmidt eine große Herausforderung war.

Steinbrück ist den Genossen im linken Lager nicht geheuer. Viele der "normalen Marschierer" der SPD, wie sie etwa in den westfälischen Ortsvereinen anzutreffen sind, mögen den Mann aus Bad Godesberg nicht. Andererseits ist der 65-jährige Steinbrück lernfähig. Er weiß, dass er die Basis braucht. Er weiß, dass er mit den Grünen künftig nicht so umgehen kann wie noch zu Zeiten der NRW-Regierungskoalition, als er den Koalitionspartner einige Male düpierte.

Steinbrück wird die Mitte suchen, denn dort gewinnt man bekanntlich Wahlen. Und auch im Auftreten wird er die Balance brauchen, die goldene Mitte: Er muss authentisch bleiben, also klar, analytisch, hart, manchmal schnodderig und polternd. Und er muss hin und wieder die sozialdemokratische Seele streicheln, ohne die Rolle des Weichgespülten einzunehmen.

Viel spricht weiterhin dafür, dass nach den Wahlen 2013 eine große Koalition unter Führung von Angela Merkel regiert. Viel spricht seit gestern aber auch dafür, dass der Wahlkampf spannend wird.

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