Kommentar Sterbehilfe - Leben und Tod

Was hat der deutsche Organspendeskandal mit der Debatte um das Thema Sterbehilfe gemeinsam? Beide geben Auskunft darüber, welchen Wert in Deutschland das Leben genießt. Die beschuldigten Ärzte haben sich zu Herren über Leben und Tod der Patienten gemacht. Das billige Motiv: Geld.

Genau diese Befürchtung, nämlich dass eine Neuregelung der Sterbehilfe der kommerzialisierten Sterbebegleitung Tür und Tor öffnen könnte, prägt die Debatte, die der Gesetzentwurf aus dem Bundesjustizministerium auslöste. Der Entwurf lässt viele Fragen offen, und er wird es schwer haben, die tiefen Bedenken und die massive Kritik vor allem aus der Union, aus den Kirchen und aus weiten Teilen der deutschen Ärzteschaft zu zerstreuen.

Dem Gesetzentwurf fehlt es leider an jegliche Trennschärfe. Durch bewusst vage gehaltene Formulierungen wird zum Beispiel der Kreis derjenigen, die sich um die Todesbegleitung kümmern dürfen, nicht näher definiert. Das Bundesjustizministerium hat schon einmal präzisere Arbeit abgeliefert.

Vielleicht ist der missglückte erste Gesetzentwurf auch nur Ausdruck eines Dilemmas: Darf der Staat sich in diese Frage überhaupt einmischen? Die Antwortet kann ein klares "Jein" sein. Er muss intervenieren, wenn das geltende Strafrecht verletzt zu werden droht. Es gibt zudem eine politisch-moralische Verpflichtung, die sich aus der deutschen Geschichte erklären lässt.

Aber die Bezugnahme auf den Tötungswahn in Nazi-Deutschland - verliert sie nicht an inhaltlicher Kraft fast 70 Jahre nach dem Endes des braunen Mörderregimes?

Der Staat hat auch in den letzten Lebensstunden des Kranken nichts an dessen Bett zu suchen. Selbsttötung ist nicht strafbar. Der Druck, der auf Angehörigen lastet, die medizinische Hilfe einzustellen und das Leiden zu beenden, ist hochdramatisch. Das gilt auch für die behandelnden Ärzte, die schon jetzt mit den Angehörigen von Sterbewilligen lebensbeendende Kompromisse eingehen.

Diesen Konflikt kann die Politik nicht beseitigen, sie sollte sich auch dort nicht einmischen. Einig sind sich CDU, CSU und FDP in der Frage, wie man der kommerziell betriebenen Todesbegleitung Einhalt gebieten kann.

Die Debatte kommt reichlich spät. Sie wurde ausgelöst durch die Pressekonferenz eines früheren Hamburger CDU-Senators, der die Tötung einer Sterbewilligen mit seiner Unterstützung durchführte und dieses quasi als einen neuen Geschäftszweig verkaufen wollte. Die öffentliche Empörung war mit Recht einhellig.

Am Ende der Beratungen steht kein politischer Dammbruch zugunsten massiver und privat organisierter Sterbehilfe, denn es geht um die Grenzen der Leidensfähigkeit, um Mitgefühl. Alles dreht sich um den Menschen in den letzten Tagen seines Lebens.

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