Kommentar Steuer- und Familienpolitik - Schlank, nicht arm

Mit der Forderung nach niedrigeren Steuern allein kann man bei einer Wahl in Deutschland inzwischen keinen Blumentopf mehr gewinnen. Wer allerdings Steuererhöhungen fordert, läuft Gefahr, vom ganz gut bis sehr gut verdienenden Bürger mit Kakteen beworfen zu werden - zu Recht. Und zu Unrecht.

Begeben wir uns gedanklich zunächst dorthin, wo sich die meisten Politiker besonders wohlfühlen: in die Mitte der Gesellschaft, zu den ganz normalen Arbeitnehmern etwa. Die meisten von ihnen gehören der sogenannten Sandwich-Generation an.

Diese finanziert ihren eigenen Nachwuchs ebenso wie die Rente und/oder die Pflege der Alten; gleichzeitig soll sie bitteschön noch an die eigene Altersvorsorge denken, um die "Rentenlücke", die in Wahrheit ein riesiges Rentenloch ist, zu stopfen - ein hoffnungsloses Unterfangen, will man nicht auf jeden Wohlstand verzichten.

Ausgerechnet diese Arbeitnehmer tragen einen stetig wachsenden Steueranteil, weil das Aufkommen aus der Lohn- und Einkommensteuer im Vergleich zu anderen Steuerarten überproportional steigt. Gleichzeitig muss eben diese Mitte mit ansehen, wie mit ihrem sauer verdienten Geld nicht etwa ihre Schulen, Straßen und Schwimmbäder saniert werden, sondern - indirekt über schwindelerregende Haftungsrisiken - marode Banken und Staaten.

Wer diesen Menschen nun noch mehr Steuern abknöpfen will, etwa über das ersatzlose (!) "Abschmelzen" des Ehegattensplittings, wie es verharmlosend heißt, kann dafür kaum Beifall erwarten. Andererseits: Ein Staat, der jetzt in Bildung investiert möchte und in die viel beschworene Vereinbarkeit von Familie und Beruf, sprich: in das wichtigste Kapital der Nation, der benötigt dafür Geld. Und wenn dieses Geld nicht von den gerade beschriebenen Arbeitnehmern kommen soll, dann müssen wohl die Besserverdienenden ran, oder noch besser: die Vermögenden.

Damit rücken unweigerlich die Vermögens-, die Erbschafts- und die Kapitalertragssteuer in den Fokus. Auch der Spitzensteuersatz, der ja ausgerechnet von Rot-Grün massiv gesenkt wurde, kann nicht ganz außen vor bleiben. Allerdings müsste der Gedanke stärker Beachtung finden, dass arbeitende Menschen im Vergleich zum arbeitenden Geld möglichst nicht höher besteuert werden sollten, was heute leider der Fall ist.

Im Gegensatz zur Forderung nach einem "schlanken Staat" steht das alles nicht, wenn "schlank" nicht mit "arm" gleichgesetzt wird, sondern mit unbürokratisch, effizient und sparsam. Die soziale Marktwirtschaft funktioniert nur dann, wenn der Staat schlank und stark zugleich ist. Wer immer in der Steuerpolitik die Bierdeckel-Reform gefordert hat, was ebenso weise wie chancenlos war, der wollte nicht die Steuern abschaffen, sondern unsinnige Regeln und deren Ausnahmen. Im Kern ging es um eine Verschlankung durch weniger Bürokratie. Das wurde oft missverstanden.

Missverstanden werden gerne auch jene Liberale, die für mehr Leistungsgerechtigkeit eintreten. Sie wollen nicht die Armen ärmer machen, sondern dafür sorgen, dass die, die mehr leisten, auch mehr bekommen. Arbeit, die Erfolg am Markt hat, soll belohnt werden: durch leistungsgerecht verteilte Steuern und ein funktionierendes Gemeinwesen, inklusive Ganztagsschulen und -kitas.

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