Kommentar Streik im öffentlichen Dienst - Der Druck wächst

Das wird ein heißer Tanz im öffentlichen Dienst. Der Tarifkampf mit Bund und Kommunen hat gerade erst begonnen, und schon greifen Beamtenbund, Verdi und Komba-Gewerkschaft zum drastischen Mittel eines ganztägigen Warnstreiks - nach einer ersten Verhandlungsrunde, die vorige Woche gerade einmal vier Stunden gedauert hat.

Ein Paukenschlag statt der üblichen Eskalationsstrategie: Damit liegt die Vermutung nah, dass die Gewerkschaften in den nächsten Wochen wenig Kompromissbereitschaft zeigen und die Bürger ausgiebig unter den Streikauswirkungen leiden werden.

Aus Sicht der Tarifbeschäftigten und Beamten mag die 6,5-Prozent-Forderung angemessen sein. War es doch Arbeitsministerin Ursula von der Leyen höchstpersönlich, die vor kurzem forderte, die gute deutsche Konjunktur müsse sich in ordentlichen Gehaltserhöhungen niederschlagen. Unbestreitbar ist, dass die Steuern zur Zeit relativ üppig in die Kassen von Bund, Ländern und Kommunen fließen.

Ebenso klar ist, dass der öffentliche Dienst vor dem Hintergrund des demografischen Wandels attraktiv bleiben muss: Wenn Fachkräfte immer knapper werden, sollte eine Behörde mit der Privatwirtschaft um helle Köpfe halbwegs konkurrieren können - in Zukunft wird der Pluspunkt des krisenfesten Jobs in der Verwaltung möglicherweise nicht mehr ausreichen. Die Kernfrage aber lautet: Woher kommt das Geld für die höheren Tarife, sobald die Konjunktur wieder schwächelt? Noch mehr Kredite aufnehmen?

Im Bund und den Ländern greift in wenigen Jahren eine gesetzliche Schuldenbremse, die auch auf die Kommunen durchschlagen wird. Besonders die großen Städte stecken schon jetzt - trotz moderater Zinslast - hoffnungslos in den roten Zahlen, selbst wenn man Zukunftsrisiken wie den Sanierungsstau öffentlicher Gebäude oder Pensionsrückstellungen für die Beamten komplett außer Acht lässt.

6,5 Prozent mehr: Das bedeutet für eine Stadt wie Bonn bei einem Schuldenstand von rund 1,4 Milliarden Euro Mehrausgaben von etwa 14 Millionen Euro im Jahr. Selbst ein Tarifabschluss von drei Prozent schlägt noch mit mehr als sechs Millionen Euro ins Kontor. Jedem Streikenden sollte klar sein, dass mit der berechtigten Forderung nach höheren Gehältern der Einspardruck in den Verwaltungen wächst.

Das kostet Stellen und verschärft die oft beklagte Arbeitsverdichtung. Auch die Bürger werden diesen Druck spüren. Je mehr die Städte knapsen müssen, desto größer die Gefahr für kommunale Angebote wie Büchereien, Freibäder oder Theater.

Gerade im öffentlichen Dienst sind die Gewerkschaften gut beraten, wenn sie Maß halten. Vor zwei Jahren lautete der Kompromiss am Ende: 2,3 Prozent mehr Gehalt plus 240 Euro Einmalzahlung. Diesmal aber scheint es härter zur Sache zu gehen.

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