Kommentar Streit um das Betreuungsgeld - Klimakatastrophe

Als sich vor vier Wochen Vertreter der Koalitionsparteien zur ihrer letzten Ausschuss-Sitzung trafen, war die Stimmung so prächtig, dass man sich in die Hand hinein versprach, wesentlich häufiger zu solchen Runden der Parteispitzen von CDU, CSU und FDP zusammenzukommen.

Neue Termine gab es seitdem nicht mehr. Dabei haben die Koalitionsparteien erheblichen Beratungsbedarf. Ansonsten drohen neue Beschädigungen, die für das Bild einer eigentlich seriös arbeitenden Regierung nicht eben von Vorteil sind. Eins ist klarer: Umgangsstil und Tonlage werden wieder deutlich unfreundlicher.

Beispiel 1: Ziemlich genau jeder zehnte Unions-Parlamentarier beteiligt sich an einem ungewohnten Vorgang. Sie schreiben einen drohenden Brief an den Fraktionsvorsitzenden Volker Kauder und kündigen an, gegen das Gesetz zum Betreuungsgeld zu stimmen. Da der CSU-Chef Seehofer seinerseits mit der Annulierung bereits beschlossener schwarz-gelber Projekte gedroht hat, wirkt der Brief wie ein Axthieb an den Wurzeln der Koalition. Zumal die Veröffentlichung als unfreundlicher Akt gegenüber dem - loyal zur Koalition und den dort einmal getroffenen Entscheidungen stehenden - Fraktionschef Kauder empfunden wird. Zeigen sich da Auflösungstendenzen?

Beispiel 2: Der Umgang mit der Schlecker-Pleite. Hier entwickeln sich in der Koalition zwei völlig unterschiedlich Welten. Auf der rationalen Ebene mögen sich die Kanzlerin und ihr Vize schnell einig sein, dass der Staat bei der Sanierung von Pleiten nur in extremen Ausnahmefällen tätig sein sollte, eine Lösung ohne Auffanggesellschaft wahrscheinlich marktwirtschaftlich geboten ist. Aber die FDP wird das Image sozialer Kälte durch ihre radikal marktliberale Bewertung des Vorganges eher vertiefen. Es sind eben nicht nur 12 000 Arbeitskräfte, sondern 12.000 Schicksale. Der CSU-Chef Seehofer hat diese liberale Kälte schon lange als unerträglich empfunden.

Gerade aus Bayern kommt jetzt das Wehgeschrei über die unionsinternen Widerstände in Sachen Betreuungsgeld. Für die CSU ist es ein symbolhaftes Vorhaben, weil es eher dem konservativen Familienbild entspricht. Dagegen kann es keine rationalen Argumente geben. Aber Ziel einer modernen Politik für Kinder muss doch sein, Mittel in deren frühkindliche Bildung zu stecken. Bei der Formulierung einer Neuregelung sollte dieser Punkt eine wesentlich stärkere Rolle spielen. Das ist zwar alles hundertfach debattiert worden. Aber niemand hindert Politiker, klüger zu werden. Spielraum für Änderungen lässt der Koalitionsvertrag in jedem Fall.

Merkel tritt auf EU-Ebene knallhart auf, während sie innenpolitisch als Konsens-Kundschafterin agiert. Wachsen die Konflikte weiter, reichen diese Anstrengungen nicht aus. Weder innenpolitisch noch innerparteilich.

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