Kommentar Taktiker statt Stratege

Es wäre unfair, François Hollande vorzuwerfen, er sei nicht lernfähig. Da nahm man dem französischen Präsidenten 2013 seinen zweiwöchigen Badeurlaub übel - also stellt er in diesem Sommer eine Omnipräsenz und einen Aktionismus zur Schau, wie man sie bis jetzt nur von seinem Vorgänger Sarkozy kannte. Man tat Hollande stets ab als Taktiker und "Tretbootkapitän" ohne echte Strategie oder weiterführende Vision - und er antwortet mit einer Klausur über "Frankreich 2025".

Angesichts einer demoralisierten Bevölkerung, die ihrer Regierung nicht mehr vertraut, stellt Hollande schon die richtigen Fragen. Welche Wege führen in ein erfolgreiches, selbstbewusstes Frankreich der Zukunft? Wie lassen sich momentane Einschnitte vermitteln, wenn sie eine nachhaltige Modernisierung des Arbeitsmarktes, der Renten- und Sozialsysteme erlauben?

Dass Reformen Not tun, bekräftigen auch die Bewunderer von Gerhard Schröders "Agenda 2010", die in Frankreich nicht unumstritten ist. Das "deutsche Modell" mit seinen Vorzügen und Nachteilen wird Teil der innenpolitischen Diskussion und Angela Merkels Stärke mit einer Mischung aus Furcht und Faszination beobachtet. Die einen setzen den aktuellen wirtschaftlichen Erfolg des Nachbarn in direkte Verbindung mit Schröders Reformen und fordern ähnliche Courage von Hollande. Die anderen warnen vor der Aufgabe des "französischen Modells". Beim Ringen um seine Mehrheit bleibt unscharf, was Hollande selbst denkt und will. Einmal mehr kommt der Taktiker in ihm heraus - nicht der Stratege.

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