Kommentar Terrormord in London - Krieg in Eigenregie

Der Metzgermesser-Anschlag von Woolwich war kein Massenmord; es sind keine Wolkenkratzer eingestürzt oder Doppeldecker-Busse in die Luft geflogen. Und doch sät es mehr Angst als andere Attentate zuvor. Wo radikale Muslime sich inspiriert fühlen, in Eigenregie, spontan und mit Allerweltsmitteln zu töten, ist niemand mehr sicher - ganz egal, ob Menschenmassen, Fahrstühle oder die U-Bahn gemieden werden.

Jeder Gegenstand kann zur Waffe werden - ein Auto, ein Grillspieß, selbst ein Bleistift. Ohne Kontakte zu Terrorcamps oder Hasspredigern entziehen die Einzeltäter sich den Geheimdiensten und damit dem einzigen Warnsystem gegen den Terror.

"Heute erklären wir London den Krieg", verkündete einer der Attentäter schockierten Passanten. Zumindest für eine Nacht sollte er Recht behalten: Provoziert durch die Fast-Enthauptung auf einer Londoner Straße, marschierte abends der harte Kern der britischen Nationalisten in Woolwich ein.

Die Polizei löste den Hass-Trupp auf, doch das Gefühl der Wehrlosigkeit und die zunehmenden Ressentiments gegen Muslime in Großbritannien sind nicht so leicht zu zerstreuen. Schon vor dem Übergriff hat sich die ausländerfeindliche UKIP-Partei zu einer bedeutsamen politischen Kraft entwickelt.

Nun wird sie sich über noch mehr Aufwind freuen. Umso wichtiger ist das nüchterne Schulterzucken, das viele Londoner ganz bewusst zur Schau tragen. Es verhindert die Eskalation in einer Stadt, die zu den multiethnischsten Orten der Welt zählt.

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