Kommentar zum Energiekompromiss Teure Einigung

Berlin · Teuer und wenig zukunftsfest. Das sind die beiden Attribute eines klassischen Kompromisses, den die Spitzen der großen Koalition in diesen berüchtigten Nachtsitzungen im Kanzleramt aushecken.

Das zeigt sich jetzt wieder beim Energie-Paket. Teuer, sündhaft teuer wird die Einigung bei den Stromnetzen zu allererst die Verbraucher zu stehen kommen: Sie müssen die Zeche dafür zahlen, dass nun die dringend benötigten neuen Stromautobahnen über weite Strecken in der Erde verbuddelt werden. Das ist nicht nur acht Mal teurer als die Überlandleitung, es ist auch im Genehmigungsverfahren und im Bau deutlich langwieriger. Und warum das alles? Weil der politische Ego-Shooter Horst Seehofer aus Furcht vor einigen Bürgerinitiativen in der bayerischen Provinz verbindliche Absprachen hintertrieben und beim Netzausbau gemauert hat.

Nur nebenbei: Die drastisch höheren Netznutzungsgebühren zahlen die privaten Haushalte und Millionen von Unternehmen. Nicht aber die Energiegroßverbraucher in Bayern, die auf die Mega-Leitungen so dringend angewiesen sind, die den Windstrom aus dem Norden liefern. Denn Unternehmen von diesem Kaliber sind von der Umlage für die Netzbenutzung befreit.

Und die Einigung bei der Kohle? Sie ist nicht zukunftsfest. Jeder weiß, dass die Braunkohle-Verstromung in Deutschland auf lange Sicht keine Zukunft hat. Das räumen sogar die Gewerkschaften hinter vorgehaltener Hand ein, bei denen die Arbeiter aus den Revieren organisiert sind. Natürlich hätte man die Arbeitnehmer mitnehmen und Geld in die Hand nehmen müssen, damit der fällige Strukturwandel in den Kohlerevieren gelingt. Der Abschied von der Steinkohle im Ruhrgebiet bietet da viel Anschauungsmaterial, wie man es machen könnte und welche Fehler zu vermeiden sind.

Statt aber den Braunkohle-Ausstieg, der zur Energiewende dazu gehört und auch klimapolitisch geboten ist, zu organisieren, wurden fällige Weichenstellungen auf die lange Bank geschoben. Die Lobbyisten haben sich erfolgreich aufgebäumt. Keine Frage: Die beiden Konzerne Vattenfall und RWE, die das Geschäft mit der Braunkohle noch betreiben, sind gebeutelt vom Atomausstieg. Die von Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel ursprünglich geplante Strafabgabe auf dreckige Braunkohlekraftwerke hätte die Bilanzen dieser beiden Unternehmen weiter belastet. NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) musste befürchten, dass etliche Stadtwerke, die mit RWE verbandelt sind, weniger Gewinne ausweisen können.

Nun wird der Umbau der Stromproduktion vertagt, Vattenfall und RWE können auf absehbare Zeit weiter mit guten Renditen rechnen. Aber wenn Vizekanzler Sigmar Gabriel so weitermacht, zerbröselt ihm die Energiewende und er steht mit leeren Händen da, wenn 2017 gewählt wird.

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