Kommentar Treffen der Superreichen in Davos: Das große Unbehagen

Würde US-Computer-Pionier Bill Gates, der reichste Mann der Welt, jeden Tag eine Million Dollar verprassen, dann bräuchte er 200 Jahre, bis sein gesamtes Vermögen aufgebraucht wäre. Und während die Reichen dieser Welt immer (zahl-)reicher werden, bleiben die Armen arm.

Das belegen aktuelle Zahlen des Wohlfahrtsverbandes Oxfam: 2016, rechnen Statistiker, hat das reichste Prozent der Weltbevölkerung mehr Vermögen angehäuft als die restlichen 99 Prozent zusammen.

Viele wird diese Prognose empören, denn sie trifft einen wirtschaftlichen, sozialen und zwischenmenschlichen Nerv. Experten wissen, dass Superreiche wenig zum ökonomischen Wohl der Gesellschaft beitragen. Je weiter die Schere zwischen Arm und Reich auseinander geht, desto gedämpfter verläuft das Wirtschaftswachstum im Land. Mini-Jobber, Dienstleistungsprekariat, befristet Beschäftigte, Leiharbeiter oder Langzeitarbeitslose haben eben kaum Kaufkraft. In Ländern, die die Unwucht nicht austarieren können, sinkt zudem die Lebenserwartung, steigt die Kriminalitätsrate. Und zum Gerechtigkeitsempfinden vieler passt es einfach nicht, dass ein Mindestlohn-Bezieher in seinem ganzen Leben - ganz egal, wie lange oder wie hart er arbeitet - nicht die Summe auf die hohe Kante legen kann, die Manager in Davos mit einer einzigen Bonuszahlung einstreichen.

So groß das Unbehagen über die wachsende, soziale Kluft ist, so groß ist oft die Resignation. Das Nebeneinander von absurdem Luxus und verzweifelter Armut wird vielfach wie eine Naturgewalt angesehen. Arm und Reich, heißt es dann, habe es ja immer schon gegeben. Das Wohlstandsgefälle kommt daher wie die Klimaerwärmung: diffus, menschengemacht, kaum zu bremsen.

Dabei gibt es längst konkrete Lösungsansätze. Ein gut strukturiertes Steuersystem gehört dazu. Oxfam etwa rechnet vor, dass Staaten 2013 allein durch die Steuervermeidung ihrer reichsten Bürger 156 Milliarden Euro entgangen sind - Steuersparmodelle wie die deutscher Konzerne in Luxemburg nicht eingerechnet. Hätte man in den letzten Jahren alle Milliardäre weltweit mit einem Reichen-Obolus von 1,5 Prozent belegt und das Geld in Gesundheitssysteme investiert, hätten laut Oxfam 23 Millionen Menschenleben in 49 Ländern gerettet werden können. US-Bundesstaaten experimentieren mit eigenen Ideen: Konzerne mit hohem Lohngefälle sollen auch mehr Unternehmenssteuer zahlen.

Ein Umdenken hat also eingesetzt. Doch ohne den regulierenden Eingriff der Politik wird sich die Schere bei Einkommen und Privilegien nicht schließen. Es ist vielsagend, dass Hunderte Wirtschaftsbosse und Reiche nun in Davos soziale Ungleichheit zum Thema machen, das Schließen von Steuerschlupflöchern aber nicht auf der Agenda steht. Multimilliardäre, die die Welt retten wollen? Man darf skeptisch sein.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Ende der Naivität
Kommentar zu russischer Spionage in Deutschland Ende der Naivität
Zum Thema
Jana Marquardt
zu Arbeitslosen in Deutschland
Viel Potenzial bei Ungelernten
Kommentar zur ArbeitslosenquoteViel Potenzial bei Ungelernten
Eine andere Welt
Kommentar zu den weltweiten Militärausgaben Eine andere Welt
Wieder ein Endspiel?
Kommentar zur krieselnden Ampel-Koalition Wieder ein Endspiel?
Aus dem Ressort