Kommentar zu Corona-Maßnahmen Trügerisches Gefühl

Meinung | Berlin · In der Corona-Krise macht sich in Deutschland allmählich ein trügerisches Gefühl breit, die Rückkehr zur Normalität sei nahe. Allerdings ist die Pandemie nicht besiegt. Jetzt geht es um Eigenverantwortung, kommentiert unsere Autorin.

 Schritt für Schritt kehrt die Normalität zurück. Allerdings: Die Corona-Pandemie ist noch nicht besiegt.

Schritt für Schritt kehrt die Normalität zurück. Allerdings: Die Corona-Pandemie ist noch nicht besiegt.

Foto: dpa/Manu Fernandez

Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher hatte hanseatisch nüchtern ausgesprochen, was auf die Ministerpräsidenten zukommt, nachdem sie die Kanzlerin bei der Entscheidung über die Corona-Lockerungen ausgebootet hatten: „Eine sehr, sehr große Verantwortung.“ Man könnte auch Gefahr sagen. Der SPD-Mann machte keinen Hehl daraus, dass ihm ein gemeinsames Vorgehen mit der Christdemokratin Angela Merkel lieber gewesen wäre.

Nun überschlagen sich die Beschlüsse der Landesregierungen von Baden-Württemberg bis Sachsen, wer was wann öffnet. Und es macht sich ein trügerisches Gefühl breit, die Rückkehr zur Normalität sei nahe. Diesen Geist werden die Ministerpräsidenten schwer wieder in die Flasche bekommen, wenn eine zweite Infektionswelle noch einmal Shutdown-Maßnahmen erfordern sollte, um das Gesundheitssystem weiter stabil zu halten.

Bayerns Regierungschef Markus Söder schafft es als Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz  nicht, den Laden zusammenzuhalten. Amtskollegen beklagen intern, der CSU-Chef betreibe eine „Bayern-first-Politik“. Dann machten eben auch alle anderen, was sie wollten. Ein schlechtes Vorbild für die Bürger, denen sie Disziplin und Solidarität abverlangen.

Das Auseinanderdriften hat dazu geführt, dass die Staatskanzleichefs noch keine Einigung erzielt haben, welche bundesweiten Empfehlungen es für verbindliche Anordnungen für Abstand, Masken und Hygiene über das bislang geltende Datum 5. Juni hinaus geben soll. Söder wünscht sich nun als Föderalist mehr Macht für den Bund, mehr verbindliche rechtsnormative Kraft für eine stärkere Führung. Kritiker sagen, jetzt werde doch wieder nach „Mutti“ gerufen, und in diesem Fall ist das als Kompliment für Merkel gemeint.

Aber angenommen, die Ministerpräsidenten und Landkreise gehen in dieser Phase der ersten Welle von nun an autark vor, der Erfolg der Krisenbewältigung hängt ohnehin davon ab, ob die Bürger in ihrer großen Mehrheit so klug und besonnen bleiben wie bisher. Kein Land der Welt, auch Deutschland nicht, kann bis zum Corona-Impfstoff im Shutdown bleiben. Das hält die Wirtschaft nicht aus, die Politik nicht und die Bevölkerung auch nicht. Die Zeit von Eigenverantwortung und Verantwortungsbewusstsein jedes Einzelnen für die Allgemeinheit ist angebrochen. Die Pandemie ist nicht besiegt. Und nach Covid-19 kommt vielleicht Covid 20.

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