Zum Wirbel um eine Wahlverschiebung in den USA Trump ist ein Meister der Ablenkung

Meinung | Bonn · Erst bringt US-Präsident Trump eine mögliche Verschiebung der am 3. November anstehenden Wahl ins Spiel und erntet heftigen Protest. Dann betont er, keinen Aufschub zu wollen. Donald Trump ist ein Meister der Ablenkung, kommentiert GA-Redakteur Nils Rüdel.

 Erst bringt US-Präsident Trump eine mögliche Verschiebung der am 3. November anstehenden Wahl ins Spiel und erntet heftigen Protest.

Erst bringt US-Präsident Trump eine mögliche Verschiebung der am 3. November anstehenden Wahl ins Spiel und erntet heftigen Protest.

Foto: AP/Alex Brandon

Donald Trump ist ein Meister der Ablenkung. Und er hat es wieder geschafft. Kaum hatten die Medien am Donnerstag den historischen Einbruch der US-Wirtschaft gemeldet, rüttelte der angeschlagene Präsident an einem neuen Tabu und brachte eine Verschiebung der Präsidentschaftswahl ins Spiel. Der Vorschlag ist so unerhört wie chancenlos – aber er brachte den beabsichtigten Wirbel und Ärger auch in den eigenen Reihen. Später nahm Trump den Vorstoß halb wieder zurück. Was bleibt, ist aber dies: Die Amerikaner bekamen erneut die – unbelegte – Behauptung eingehämmert, bei der Wahl werde es wegen der coronabedingten Vielzahl an Briefwählerstimmen zu Fälschungen kommen. Trump – das Opfer eines großen Betruges.

Man könnte den Rummel um die Wahlverschiebung nun als übliches Gepolter abtun und die Kritik daran als langweiliges Trump-Bashing. Der Vorgang aber ist aus mehreren Gründen aufschlussreich: Erstens fürchtet der Republikaner offensichtlich wirklich, gegen Joe Biden zu verlieren. Deshalb verstärkt er, zweitens, seine Anstrengungen, das Ergebnis, das wegen der Briefwahl-Auszählung länger auf sich warten lassen könnte, bereits jetzt zu delegitimieren. Drittens: Dem Präsidenten ist im Zweifel nicht einmal die Verfassung heilig, die unter anderem den Wahltermin vorschreibt. Und viertens zeigt die Episode: Die Wahl ist noch lange nicht gelaufen. Mit Trump ist noch zu rechnen.

Schafft er es noch einmal?

Schafft er es noch einmal? Diese Frage ist rund drei Monate vor der  Wahl nicht seriös zu beantworten. Zwar liegt er in den meisten Umfragen hinter seinem Herausforderer, aber das heißt gar nichts. Trump kann auf mehrere Wählergruppen hoffen: Seinen harten Kern der Fans, die alles bejubeln, was er macht. Dazu die Unentschlossenen, die erst im letzten Moment nach Stimmung entscheiden, die sich schnell drehen kann. Schließlich all jene, denen ein gefährlicher, unberechenbarer Angeber im Weißen Haus immer noch lieber ist als ein Präsident von den Demokraten. Immerhin hat Trump die meisten seiner Wahlversprechen eingehalten.

Und man darf nicht vergessen: Trump repräsentiert eine breite gesellschaftliche Stimmung in den USA, die sich über Jahre zusammengebraut hat. Er gibt sich als deren Sprachrohr. Gegen das polit-mediale Establishment, gegen demokratische Gepflogenheiten, gegen politische Korrektheit, gegen das System. In diesem Sinne hat er mit seinen Angriffen auf die Legitimität der Wahl gepunktet.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Die Demokraten zeigen Zähne
Kommentar zur Situation der AfD Die Demokraten zeigen Zähne
Zum Thema
Trumps Abrissbirne
Kommentar zum Abzug von US-Soldaten aus Deutschland Trumps Abrissbirne
Aus dem Ressort
Verstand gebrauchen
Kommentar zur Diskussion um eine neue Infektionswelle Verstand gebrauchen