Kommentar Türkei, Nato und Deutschland - Schwierige Lage

Gut 63 Jahre lang besteht die Bundesrepublik. Die Bundeswehr feierte ihren 57. Geburtstag. Das Land will - gemäß seiner wachsenden internationalen Bedeutung - endlich einen entscheidenden Schritt in Richtung eines ständigen Sitzes im UN-Sicherheitsrat gehen.

Deutschland hat - noch zusammen mit den Franzosen - einen europäischen Führungsanspruch bei der Bewältigung von Währungs-, Finanz- und Wirtschaftsproblemen. Die deutsche Politik ist charakterisiert von Bündnistreue. Und trotz dieses Befundes über ein stabiles und innenpolitisch in sich ruhendes Deutschland scheint die Debatte über eine Beteiligung der Bundeswehr an der Befriedung der Zwischenfälle an der Grenze zu Syrien die Verantwortlichen wie ein Blitz aus heiterem Himmel getroffen zu haben.

Die Erfahrung mit der Stimmenthaltung, die vor allem der deutsche Außenminister bei der UNO in der Frage einer Berliner Beteiligung an Militärmaßnahmen gegen die libysche Diktatur gemacht hat, wirkt noch nach. Berlin will das türkische Anliegen jetzt "solidarisch" prüfen. Die Bundesregierung weiß natürlich, dass am Ende allein aus Bündnis-Solidarität die Entscheidung nur positiv ausfallen kann. Und dass damit neue Probleme auf die schwarz-gelbe Koalition zukommen werden.

Das politische Kernproblem liegt in der Parlamentsbeteiligung. Die Frage ist, wie weit man gehen will: In der Vorstellungswelt der drei Oppositionsparteien - und wohl auch von Teilen der FDP-Spitze - soll der Bundestag am Ende verbindlich entscheiden. Das würde ein gemeinsames Mandat erfordern, dessen verbindlicher Inhalt den Bundeswehrsoldaten mehr Sicherheit bei ihren Entscheidungen geben soll.

Die Koalitionäre fürchten diese Option nicht ohne Grund: Denn zumindest mathematisch ist denkbar, dass sich im Parlament eine Mehrheit gegen Merkel formieren könnte. Möglich ist vieles, aber nicht, dass eine SPD-Opposition mit ihrer Nähe zum Bosporus-Staat gegen die türkischen Sicherheitsinteressen votiert. Das kann sich die SPD vor ihrer Anhängerschaft nicht leisten.

Trotzdem: Die angestrebte Mission hat ihre Schwächen. Eine der wichtigsten ist: Die "Patriot"-Systeme taugen wenig gegen Mörser-Beschuss, das Hauptproblem der Grenzregion. In den Konsultationen mit Ankara sollte man kritische Fragen stellen. Gewiss herrscht Bündnis-Solidarität.

Aber besonders lustig ist es nicht, wenn man Waffen und Personal in ein Land entsendet, dessen Ministerpräsident Erdogan Israel einen "terroristischen Staat"nennt. Mit solchen Parolen wird immer unkenntlicher, mit welchen Mitteln man Frieden im Nahen Osten erreichen kann. Darum geht es indirekt auch bei der "Patriot"-Frage, die auf eine - nicht bedingungslose - Zustimmung durch die Politik treffen sollte.

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