Kommentar Überwachung und Terrorismus - Das Vertrauen ist dahin

Washington · Selbst wenn man die zeitliche Nähe zum Ausspäh-Skandal um den US-Auslandsgeheimdienst NSA einmal ausblendet: Man kann nie ausschließen, dass hinter Terror- und Reise-Warnungen ein Manipulationsversuch steckt.

Für die Rechtfertigung der immer monströser und teurer gewordenen Sicherheits-Architektur ist es wichtig, die Gefahr eines möglichen Anschlags im Bewusstsein zu halten. Dabei ist es herrschende Lehrmeinung, dass vage Warnungen letztlich den Terror-Netzwerken in die Hände spielen. 25 Botschaften weltweit zu schließen, stellt eine neue Qualität dar. Der praktische Nutzen erschließt sich nicht. Terroristen können ihre Absichten einfach vertagen. Was dann?

Diese Unstimmigkeit trifft in den USA auf eine neue Haltung im Anti-Terrorkampf. Über zehn Jahre hat sich das Land mit dem geräuschlos ausgebauten Überwachungsstaat arrangiert. Widerstand gegen die Alleswissenwoller in Regierung und Geheimdiensten regte sich nur in homöopathischen Dosen. Eingriffe in das, was man in Deutschland das Recht auf informationelle Selbstbestimmung nennt, wurden eher desinteressiert hingenommen.

Das Terror-Trauma vom 11. September 2001 nur zu erwähnen, reichte aus - und Bevölkerung wie Medien folgten mehrheitlich der regierungsamtlich verordneten Güterabwägung: Beeinträchtigungen der Privatsphäre sind hinzunehmen, wenn so dem geliebten "Homeland" Unheil erspart bleibt. Anders als bei Vorgänger Bush gingen viele Amerikaner davon aus, dass unter Obama Recht, Gesetz und Augenmaß den unstillbaren Datenhunger der Sicherheitsdienste einhegen werden. Irrtum.

Seit Edward Snowden der Welt die Augen dafür geöffnet hat, wie die Dinge wirklich stehen, ist dieser Vertrauensvorschuss dahin. In Umfragen zeigt sich ein radikaler Stimmungsumschwung. Die Legislative begreift erst jetzt, was sie über Jahre abgesegnet hat: In Hochsicherheits-Servern ist ein digitales Mega-Archiv menschlicher Kommunikation entstanden. Jederzeit abrufbar, um das Individuum im Verdachtsfall zu entblößen, schonungsloser als ein Körperscanner.

Amerikas Führung will das Kontrollprogramm nicht wirklich offen diskutieren. Das Risiko, dass die Bürger im "Land der Freien" das Missverhältnis zwischen Aufwand und Ertrag bei fortgesetzter Beschädigung ihrer Freiheitsrechte erkennen, ist zu groß. Der Auslandsgeheimdienst NSA hat gerade eingeräumt, dass nur in einem einzigen Fall die angewandte Späh-Methodik einen möglichen Anschlag verhindert hat.

Dafür wurden mit Milliarden-Aufwand Abermillionen Daten unbescholtener Menschen gesichert. Wie hat Obamas großes Vorbild Abraham Lincoln noch gesagt? "Man kann alle Menschen für kurze Zeit täuschen, man kann einige für immer täuschen, aber man kann nicht alle für immer täuschen."

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