Kommentar Ukraine-Diplomatie - Krieg oder Frieden

Alternativlos: Angela Merkel ist für diesen Begriff ihrer Politik viel gescholten worden. Aber im Ukraine-Krieg trifft er zu: Der Versuch der deutschen Bundeskanzlerin,unterstützt vom französischen Präsidenten François Hollande, eine diplomatische Lösung zu finden, ist alternativlos.

Denn eine militärische Lösung dieses Krieges - der Begriff der Krise trifft längst die brutalen Realitäten in der Ost-Ukraine nicht mehr - gibt es nicht. Da mögen die Republikaner in den USA noch so viel polemisieren ... Wer die Ukraine mit westlichen Waffen aufrüstet, internationalisiert den Krieg - und liefert Wladimir Putin das wahrscheinlich willkommene Argument, auch offiziell in diesen Krieg einzutreten.

Es ist deshalb übrigens auch mindestens so wahrscheinlich, dass diese amerikanische Eskalationsdiskussion Merkel und Hollande zu ihrer Friedensinitiative getrieben hat wie die aktuelle Entwicklung auf dem Schlachtfeld. Anders gesagt: Die Europäer müssen jetzt nachweisen, dass es anders geht als mit Waffen. Wie schwer diese Aufgabe ist, hat sich gestern Abend in Moskau gezeigt. Nur größte Optimisten konnten erwarten, dass am Ende dieses Treffens ein kompletter Friedensplan steht.

Selbst wenn es ihn gäbe: Skepsis muss bleiben, denn mit dem Protokoll von Minsk aus dem vergangenen September gab es ja bereits einen Friedensplan. Aber er ist in fast allen Teilen Makulatur geblieben. So oder so gilt deshalb: Moskau ist nur eine Zwischenstation. Am Montag trifft Merkel US-Präsident Obama, am Donnerstag steht das Thema Sanktionen gegen Moskau auf der Tagesordnung des Westens.

Der Schritt gestern war für Merkel und Hollande eine riskante Geste. Zum ersten Mal seit Beginn des Krieges besuchte die deutsche Kanzlerin den Aggressor in seinem Amtssitz. Jenen Mann, der ungeniert die Krim annektiert und mit russischen Truppen ein souveränes Land überfällt, was ihn nicht daran hindert, mit Friedensplänen zu wedeln. Es gehörte für Merkel und Hollande schon viel Überwindung dazu, trotzdem diesen Schritt zu gehen.

Doch er wird sich letztlich lohnen. So wie es sich lohnt, weiter auf Partnerschaft und nicht auf Gegnerschaft zu setzen. So wie es sich lohnen wird, immer wieder zu betonen, dass Sanktionen - so zweifelhaft und selbstschädigend sie sein mögen - nicht dazu da sind, Russland in die Knie, sondern an den Verhandlungstisch zu zwingen. Wer den Krieg aktuell als Mittel der Politik ausschließt, hat gar keine andere Wahl. Dass er dabei Unrecht einschließlich massiver Völkerrechtsverletzungen faktisch hinnehmen muss, gehört auch zur Wahrheit.

Merkel und Hollande haben gestern das getan, was getan werden konnte, mindestens um Schlimmeres zu verhindern. Die Frage Krieg oder Frieden ist damit nicht entschieden, aber die Hoffnung bleibt, dass sich die Waagschale Richtung Frieden neigt.

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