Kommentar zu Afghanistan Unerklärlich
War es Leichtfertigkeit? Oder war es schlicht Unfähigkeit? Als die Taliban am 28. September die Stadt Kundus mit ihren 300 000 Einwohnern überrannten, waren die Sicherheitskräfte jedenfalls völlig überrascht - offenbar auch die Risiko-Management-Büros der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ).
Sie sollen sich unter anderem durch enge Kontakte zur Bevölkerung einen detaillierten Überblick über die Sicherheitslage verschaffen, um die Arbeit (nicht nur) der deutschen Entwicklungshelfer zu ermöglichen. Dass sie nichts von der bevorstehenden Attacke mitbekommen haben, obwohl die Taliban laut vielen übereinstimmenden Informationen den Angriff seit langem vorbereitet hatten, dass sie die Gefahr möglicherweise unterschätzt haben, ist kaum erklärlich.
Dass sich die Taliban inzwischen zurückgezogen haben, ist kein Grund aufzuatmen. Denn Kundus ist nicht irgendeine Stadt. Hier wollten Deutschland und die Bundeswehr zeigen, wie Wiederaufbau und Stabilisierung funktionieren und sind dabei - das zeigt die Taliban-Attacke - grandios gescheitert. Afghanistan ist - trotz des enormen Aufwandes an Militär und des weniger enormen Aufwandes an Entwicklungshilfe - weder sicherer noch demokratischer geworden. Das macht die Arbeit der Entwicklungshelfer künftig noch schwieriger. Besonders die lokalen Mitarbeiter sind betroffen, weil sie von den Extremisten als Verräter betrachtet werden. Sie müssen sich darauf verlassen können, dass ihnen der Arbeitgeber, also Deutschland, Schutz gewährt. Alles andere wäre ein Armutszeugnis.