Kommentar Urteil über Kirchenaustritte - Freiheit des Glaubens

Es gehört schon eine Menge an professoralem Eigensinn dazu, eine juristische Auseinandersetzung über die Frage zu provozieren, ob der Austritt aus der katholischen Kirche etwas anderes ist als der Austritt aus einer ebenso benannten Kirche, versehen aber mit dem Untertitel "Körperschaft des öffentlichen Rechts".

Der emeritierte Kirchenrechtler Hartmut Zapp hat diesen Eigensinn bewiesen und damit erreicht, dass sich das Erzbistum Freiburg und die Stadt Staufen bis zur höchsten Instanz um die Frage stritten, ob das Staufener Standesamt diesen Zusatzeintrag machen darf - und was der genau bedeutet. Chapeau, Herr Professor, die Aktion hatte einigen Unterhaltungswert.

Da wurde also das Bundesverwaltungsgericht bemüht, um eine Binsenwahrheit zu bestätigen: Die katholische Kirche, Körperschaft des öffentlichen Rechts, ist identisch mit der katholischen Kirche, so wie sie im Geltungsbereich deutscher Gesetze besteht. Da kann man nicht zugleich austreten und nicht austreten. Diese Kirche kann auch nicht gezwungen werden, jemanden als Katholiken zu betrachten, der die formelle Mitgliedschaft mit ihren Rechtsfolgen ablehnt, also auch mit der Pflicht zur Zahlung der Kirchensteuer.

Nun gibt es über die Konfessionsgrenzen hinweg viele Kritiker des deutschen Kirchensteuersystems, die Zapp die Daumen gedrückt haben. Den einen wird mit der Kirchensteuer zu viel Modernes finanziert, den anderen zu viel Konservatives. Und bis in den Vatikan hinein scheint es Verständnis für die Diagnose des verstorbenen SPD-Politikers und Protestanten Hans Apel zu geben, die Kirchensteuer mache Mitarbeiter und Gremien bequem und wirke wie "schleichendes Gift".

Nur: Das konnte und durfte nicht Gegenstand des Verfahrens sein. Allein die Kirchen selbst könnten die Initiative ergreifen, ihr Finanzierungssystem zu ändern, und allein das einzelne Kirchenmitglied kann sich entscheiden, persönlich aus diesem System auszusteigen - wie es Apel und Zapp getan haben.

Und welche Konsequenzen ein solcher Ausstieg hat, das können wiederum nur die Kirchen selbst festlegen. Man mag ja das klirrend-bürokratisch formulierte Schreiben kritisieren, das die katholischen Bischöfe neuerdings jedem Ausgetretenen zustellen lassen. Aber das ist wie der gesamte Umgang mit Ausgetretenen eine innerkirchliche Angelegenheit.

Was wäre das für ein System, in dem Verwaltungsrichter sich mit der kirchlichen Lehre über die Taufe befassen - mit der Zapp allen Ernstes argumentierte? Hätte sich das Gericht darauf eingelassen, dann wäre das vielleicht ein Erfolg für Zapp gewesen und mit ihm für viele - progressive wie reaktionäre - Kirchenrebellen. Aber der Erfolg wäre zu Lasten der Religionsfreiheit gegangen, also des Rechts, Glaubensentscheidungen ohne staatlichen Einfluss zu treffen.

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