Kommentar Verhältnis zwischen Japan und China - Annährung aus Not

Seit Jahren streiten China und Japan um ein paar unbewohnte Inseln im Ostchinesischen Meer. Aus Tokios Sicht sind sie fester Bestandteil des japanischen Territoriums. Peking wiederum beansprucht die unbewohnten Inseln für sich. Nun hat Chinas Staatspräsident Xi Jinping am Rande des Apec-Gipfels in Peking den japanischen Ministerpräsidenten Shinzo Abe empfangen.

Es handelt sich um das erste formelle Treffen zwischen Repräsentanten der beiden Länder auf höchster Ebene seit mehr als zwei Jahren - ein politischer Meilenstein. Doch so überraschend diese Annäherung auf den ersten Blick erscheint - tatsächlich brauchen sich die beiden Länder derzeit.

Japan ist seit zahlreichen Jahren der zweitwichtigste Wirtschaftspartner der Volksrepublik, trotz aller politischer Querelen. Der bilaterale Handel belief sich in den vergangenen Jahren im Durchschnitt auf rund 340 Milliarden Dollar jährlich. 23 000 japanische Unternehmen haben Hunderte Milliarden Dollar im Reich der Mitte investiert und Arbeitsplätze für elf Millionen Chinesen geschaffen.

Der Streit um die wenigen unbewohnten Inseln und die umliegenden Gewässer seit 2012 hat in beiden Ländern jedoch großen wirtschaftlichen Schaden angerichtet. Die wachsende Furcht vor einer bewaffneten Auseinandersetzung führte dazu, dass die japanischen Investitionen in der Volksrepublik allein in der ersten Hälfte 2014 um fast 50 Prozent zurückgegangen sind. Solange die Wirtschaft in beiden Länder einigermaßen rund lief, maßen die Regierungen dem wenig Bedeutung bei.

Doch genau das ist nun nicht mehr der Fall: Chinas Wirtschaft ist im dritten Quartal mit 7,3 Prozent so langsam gewachsen wie seit fünf Jahren nicht. Japans Wirtschaftsleistung wiederum ist im zweiten Quartal sogar um 6,8 Prozent zurückgegangen. Würden Peking und Tokio den Inselstreit beilegen und wieder stärker auf die wirtschaftliche Zusammenarbeit setzen, dürften beide Seiten erheblich profitieren.

Derzeit schielen die Chinesen gerne ins ferne Deutschland und preisen die hochwertigen Produkte und Maschinen "Made in Germany". Insbesondere im Bereich der Umwelttechnologie hat das erheblich von Luft- und Wasserverschmutzung geschundene Riesenreich großen Bedarf. Doch China könnte ebenso gut in Japan einkaufen und bekäme dort unter Umständen sogar noch sehr viel bessere Geräte.

Doch darauf verzichteten die Chinesen bislang - aus politischen Gründen. Dass sich Xi und Abe nun bereit zeigen, dem politischen Konflikt zumindest ein Stück weit weniger Bedeutung beizumessen, scheint vor allem aus wirtschaftlicher Not heraus zu erfolgen. Sollte es beiden Volkswirtschaften in Zukunft besser gehen, könnte es mit dem Säbelrasseln schnell wieder losgehen.

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