Kommentar Volles Vertrauen

Volles Vertrauen wurde Michael Frontzeck in seinem Fußballerleben gewiss nicht nur ein Mal entgegengebracht. "Volles Vertrauen", so jedenfalls lauten häufig die trostspendenden, warmen Worte für Vereinsangestellte seitens der Club-Oberen in sportlich schwierigen Zeiten.

Vertrauen genoss der frühere Nationalspieler bei seinen bisherigen Clubs als Trainer anfangs immer. Manchmal auch etwas länger, aber viel länger als anderthalb Jahre waren es nie - spätestens dann war es vorbei mit den warmen Worten. Der Fußballlehrer musste gehen. Frontzecks Glaube in die Wahrheit dieser Vertrauensbezeugungen dürfte spätestens in seiner Bielefelder Zeit nachhaltig erschüttert worden sein. Einen Spieltag vor Schluss, im Sommer 2009, warf ihn die Arminia von der Alm. Bielefeld stieg dennoch ab aus der Bundesliga.

Betrachtet man dieses Szenario, stellt sich die derzeitige Situation bei Tayfun Korkut nicht ganz so dramatisch dar. Entlassen wurde er dennoch in Hannover - fünf Spieltage vor Schluss. Sportlich ist die Entscheidung nachvollziehbar: kein Sieg seit 13 Ligaspielen, Platz 15, akute Abstiegsgefahr, Auflösungserscheinungen. Was aber nicht nachvollziehbar ist und ein "Geschmäckle" hinterlässt, ist der Umgang mit Korkut, vor allem aber der Umgang mit der Wahrheit. Die vor wenigen Tagen ausgestellte Jobgarantie von 96-Boss Martin Kind, die Treueschwüre von Manager Dirk Dufner - nichts mehr als Lippenbekenntnisse.

Hannover ist leider kein Einzelfall in diesem undurchsichtigen Spiel. In Hamburg etwa sprach Dietmar Beiersdorfer Interimstrainer Peter Knäbel das "volle Vertrauen" aus, nur um zwei Tage später Bruno Labbadia zu präsentieren. In Dortmund zündete Boss Hans-Joachim Watzke Nebelkerzen, um Thomas Tuchel kurz darauf als neuen Heilsbringer vorzustellen. Es ist eine unerträgliche Unsitte geworden, die Wahrheit zumindest zu verbiegen. Und so sollte Michael Frontzeck nicht allzu viel Gehalt dahinter vermuten, als ihm gestern in Hannover Martin Kind sein "volles Vertrauen" aussprach. Auch wenn man als neuer Trainer solche Worte vermutlich gerne hört.

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