Kommentar Wahlkampf in den USA - Mitt mitten in der Mitte

Der alte Trick, rechts anzutäuschen und dann zügig in die Mitte zu eilen, er funktioniert im maroden politischen System Amerikas. Mitt Romney hat sich ein Jahr lang in den Farben des wirtschafts-, außen- und gesellschaftspolitischen Ewiggestrigen gezeigt.

Zwei Wochen vor der Wahl ist niemand mittiger als Mitt. Die Selbstverleugnung zum Zweck der Abholung wankelmütiger Wählergruppen geht soweit, dass Romney öffentlich den Präsidenten lobt. Abgebrühtes Chamäleon! Romney macht sich mit dem Amtsinhaber, den er in Wahrheit für einen Versager hält, gemein, weil dessen außenpolitisches Wirken hoch angesehen ist.

Ganz im Gegenteil zu seiner Bilanz, wenn es um das geht, was über allem steht in Amerika: Jobs, Jobs, Jobs. Hier setzt Romney die Brechstange an. Hier punktet er mit einem kuriosen Substrat aus Nostalgie und volkswirtschaftlich halsbrecherischen Absichtserklärungen. Überraschenderweise funktioniert das.

Obwohl Romney seine sozial erkennbar unausgewogene Politik durchweg aus der Phrasendreschmaschine synchronisieren lässt, obwohl er sich penetrant weigert, die Plausibilität seiner Versprechungen zu belegen, geben viele Wähler dem schwer zu durchschauenden Mann bemerkenswerten Vorschuss.

Die Annahme, dass nach "Hope" und "Change", den als Rohrkrepierern geendeten Heilsversprechen Obamas, nüchternes Abwägen des Souveräns einsetzen würde, ist europäisch und deshalb falsch. Amerika steht auf Handelsreisende in Sachen Träume und Hoffnung. Mitt Romney könnte am 6. November sein größtes Geschäft abschließen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Die Demokraten zeigen Zähne
Kommentar zur Situation der AfD Die Demokraten zeigen Zähne
Zum Thema
Ende der Naivität
Kommentar zu russischer Spionage in Deutschland Ende der Naivität
Aus dem Ressort