Kommentar Weltwassertag - Virtuelle Flüsse

Deutschlands Verbraucher können am Weltwassertag am Freitag in den Spiegel schauen: Neue Technologien gepaart mit Sparbewusstsein für die wertvolle Ressource ließen die Bundesbürger von Jahr zu Jahr weniger verbrauchen. Inzwischen sind es nur noch 123 Liter pro Kopf und Tag gegenüber 145 Litern 1990.

Doch wachsen Zweifel, ob derlei Sparwillen am Wasserhahn dem weniger durchgespülten Leitungssystem nicht eher schadet. Von weniger Verbrauch im wasserreichen Deutschland profitieren zudem die Menschen südlich der Sahara mit keinem Tropfen.

Seit Jahren nutzen Forscher und Entwicklungshilfe-Experten den Weltwassertag, um vor einer heraufziehenden Wasserkrise oder gar Wasserkriegen zu warnen. Eine Ursache sehen Wissenschaftler im Verbrauch von "virtuellem Wasser" - virtuell, weil es in Produkten versteckt ist. In Kaffee und Kakao ebenso wie in Fleisch oder Jeans und Handy-Chips. 140 Liter Wasser für eine Tasse Kaffee, 9000 Liter für die Baumwolle einer Jeans. Solche Zahlen verursachen stets ungläubiges Staunen.

Mit den Warenströmen importiert etwa Deutschland gigantische und unsichtbare Wassermengen. Ergo sagt die monatliche Wasserrechnung noch nicht einmal die halbe Wahrheit. Studien, die diese virtuellen Flüsse berücksichtigen, kommen auf rund 5000 Liter Wasser oder 25 gefüllte Badewannen pro Tag und Bundesbürger.

Wir haben uns daran gewöhnt, die kleingedruckten Angaben über Kalorien und Zusatzstoffe aufmerksam zu lesen und dem Aufdruck "Bio" leider nur selten zu glauben. Vielleicht steht dort eines Tages als globaler Wasserwegweiser: Für die Herstellung dieses Produkts wurden 2341 Liter verbraucht.

Indem wir importierte Waren konsumieren, verbrauchen wir nicht selten sogar das Grundwasser aus Trockengebieten - teilweise aus Ländern, die auf diese Exporterlöse angewiesen sind und die die Wasser- und Ernährungsbasis im eigenen Land weniger interessiert. Weil in manchem Erdwinkel der Grundwasserpegel rasant sinkt oder der Klimawandel eine trockene Region noch trockener macht, schwindet das Nass zur künstlichen Bewässerung. Absehbar: Die Wassernot wird das zurückgedrängte Gespenst des Hungers wieder beflügeln. Gleichwohl haben fast eine Milliarde Menschen keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser.

Weil die Menschheit weiter wächst und damit auch der Nahrungs- und Energiebedarf, spielt Wasser bei Ernährungs- und Energiesicherheit eine immer zentralere Rolle. Deshalb die düsteren Prognosen, aber auch die vielen Staudammprojekte, in denen dann der Keim zum Konflikt liegt, wenn einer dem anderen das Wasser abgraben will. Weltweit queren rund 260 Flüsse mindestens zwei Staaten. Liegt eine Wasserader wie der Nil in einer staubtrockenen Region, kann er zur Kriegsader werden.

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